Frage an Steffen-Claudio Lemme von Anna W. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Lemme,
Was halten Sie von der zunehmenden Privatisierung des Gesundheitswesens?
Wie stehen Sie zur derzeit diskutierten Abschaffung der Privatversicherung?
Was sind Ihre Vorschläge zur Gesundheitsprävention an Schulen?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Anna Wieczorek
Sehr geehrte Frau Dr. Wieczorek,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich beantworte sie Ihnen sehr gerne:
Frage 1: Was halten Sie von der zunehmenden Privatisierung im Gesundheitswesen?
Der Ausdruck „Privatisierung im Gesundheitswesen“ geistert in verschiedenen Zusammenhängen durch die politische und gesellschaftliche Debatte. Insbesondere im Krankenhaussektor ist es zu einer deutlichen Zunahme der Krankenhäuser in privater Trägerschaft gekommen. Das hat die Krankenhauslandschaft massiv verändert, war sie zuvor doch ausschließlich in freigemeinnütziger und öffentlicher Hand.
Es wurden große Hoffnungen in die Privatisierung von Krankenhäusern, auch bei dem ambulanten und stationären Pflegesektor gesetzt: mehr Effizienz durch bessere Versorgung und geringere Kosten. Bisher haben sich diese Erwartungen nicht erfüllt. Auch wenn dies kontrovers diskutiert wird, so zeigen sich keine signifikanten besseren Werte für die privaten Einrichtungen in der Fläche.
Angetrieben wurde der Privatisierungstrend von der Annahme, dass es eine „Kostenexplosion“ im Gesundheitswesen gebe und man schleunigst intervenieren müsse, andernfalls würde es zu hohen Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung kommen. Schnell erwies sich diese Annahme in wissenschaftlichen Kreisen als Mythos. Es gibt kein Ausgabenproblem, also exorbitant steigende Kosten, sondern ein Einnahmeproblem. Denn durch Lohndumping und zu gering ausgefallene Lohnerhöhungen ist die Lohnquote gesunken und hat letztlich zu geringeren Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung geführt.
Im Übrigen würde ein gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn auch zu höheren Einnahmen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung führen: denn mit einem Mindestlohn würden ca. 7 Millionen Menschen durch höhere Löhne profitieren. Und höhere Löhne heißen auch höhere Einnahmen für die Sozialversicherungen!
Generell mache ich mich dafür stark, dass es eine Vielfalt an Trägern gibt, sowohl bei den Krankenhäusern, als auch bei den ambulanten Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen. Und eins liegt mir besonders am Herzen: nicht der Profit steht im Vordergrund, sondern der Mensch!
Frage 2: Wie stehen Sie zur derzeit diskutierten Abschaffung der Privatversicherung?
Wir als SPD wollen die solidarische Bürgerversicherung, also ein einheitliches Versicherungssystem, keine Einheitskasse, wie es uns gerne von CDU/CSU und FDP vorgeworfen wird. Alle Bestandskunden der privaten Krankenversicherung bekommen dabei eine 1-jährige Wechselfrist, um in die solidarische Bürgerversicherung wechseln zu können. Wer in der PKV bleiben möchte, der darf bleiben. Allerdings sieht unser Konzept vor, dass die PKV keine Neukunden mehr aufnehmen kann. Der große Vorteil der solidarischen Bürgerversicherung besteht darin, dass sie für alle bezahlbar ist, denn jeder zahlt das, was er kann und sie ermöglicht allen Versicherten den gleichen Zugang zur medizinischen und pflegerischen Versorgung! Aktuell ist es leider so, dass Privatversicherte oftmals schneller einen Termin bei Ärztinnen und Ärzten bekommen. Wir wollen, dass die Termine nach Dringlichkeit und Bedürftigkeit vergeben werden und nicht nach dem Versichertenstatus.
Es kann also keine Rede davon sein, dass wir die komplette Abschaffung wollen oder befürworten. Unser Modell zur solidarischen Bürgerversicherung ist nicht nur sozial gerecht, sondern auch pragmatisch und realisierbar.
Frage 3: Was sind Ihre Vorschläge zur Gesundheitsprävention an Schulen?
Hiermit sprechen Sie ein wichtiges und zugleich sehr umfassendes Feld an. Wir wissen aus der Forschung sehr genau, dass im Kindes- und Jugendalter der Grundstein für Einstellungen und Lebensweisen gelegt werden, die für die Gesundheit von großer Bedeutung sind. Ich meine hier insbesondere die Themen Ernährung, Bewegung, Alkohol- und Nikotinkonsum. Denn plakativ gesagt: wer sich ungesund ernährt, wenig bewegt und viel Alkohol und Nikotin konsumiert und damit auch noch früh anfängt, der hat eine schlechtere Lebensqualität, mehr Krankheiten und in der Regel auch eine geringere Lebenserwartung.
Also müssen wir früh ansetzen. In punkto Bewegung und Ernährung am besten schon in der KiTa. Generell kann eine Schule Maßnahmen zur Gesundheitsförderung nicht einfach so mit den vorhandenen Ressourcen bestreiten. Sie muss verschiedene Akteure mit ins Boot holen, zum Beispiel Krankenkassen und den öffentlichen Gesundheitsdienst. Diese verfügen auch über das entsprechenden Fachpersonal, um die Schule zu beraten und geeignete Maßnahmen zu implementieren. Neben einem abwechslungsreichen und nahrhaften Essen und ausreichend Möglichkeiten zur Bewegung, sollte Aufklärung über Alkohol und Rauchen den Schwerpunkt bilden. Dabei geht es nicht um einfache Abschreckungsmethoden bzgl. der möglichen Spätfolgen, sondern um eine sachgerechte Information und zielgruppenspezifische Aufklärung. Solche Informations- und Aufklärungsveranstaltungen können gut verknüpft werden mit spielerischen und pädagogischen Elementen, um die Kinder und Jugendlichen auch in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken und ein Bewusstsein hervorzurufen, dass Rauchen und „Komasaufen“ uncool sind.
Bei allen Bemühungen muss sichergestellt werden, dass sie nachhaltig sind und nicht direkt im Sande verlaufen. Auch sollte insbesondere bei dem Thema Ernährung überlegt werden, die Eltern mit einzubeziehen, denn schließlich sind sie es, die einkaufen gehen und den Kochlöffel in der Hand halten.
Falls Sie weitere Fragen haben, können Sie sich gerne an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen-Claudio Lemme, MdB