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Frage von Brunhild K. •

Frage an Stefan Stader von Brunhild K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr
Meine Frage lautet:
Wie stehen Sie zu der Idee des „bedingungslosen Grundeinkommens“ ?
Sollten Sie Bundestagsabgeordneter werden, würden Sie diese Idee im Bundestag vertreten und wenn ja, wie intensiv?
Mit freundlichen Grüßen
B. K.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau K.,

vielen Dank für Ihre Frage zur Idee des bedingungslosen Grundeinkommens.

Die Idee eines Grundeinkommens für alle ist nicht neu, doch mit dem digitalen Wandel bekommt sie eine neue Dimension. Ich persönlich finde die Idee vom Grundeinkommen eine sehr bedenkenswerte. Sie ist in der Tat unbürokratisch, sie ist nicht viel teurer als unser jetziges System, das das Existenzminimum garantiert. Sie kann durchaus alternative Lebensentwürfe besser ermöglichen und bindet die Hartz IV-Empfänger nicht so sehr an die Jobcenterbürokratie."

Unsere Arbeitswelt wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verändern, mit dramatischen Folgen für Mitarbeiter in nahezu allen Branchen. Der Philosoph Richard David Precht glaubt sogar, dass „die Menschen auch in Zukunft arbeiten, aber sie werden es vielleicht nicht mehr für Geld tun, und sie werden es vielleicht nicht mehr für eine Firma tun und sie werden es nicht mehr in einem Angestelltenverhältnis tun." Für Precht bleiben am Ende nur Jobs übrig, "bei denen Menschen mit Menschen zu tun haben". In Kindergärten und Schulen etwa.

Grund für diese Entwicklung ist die Digitalisierung und die damit zusammenhängende Automatisierung. Dutzende Studien warnen seit Jahren vor einem dramatischen Schwund an Jobs durch den digitalen Wandel. Laut den Arbeitsmarktexperten vom Stuttgarter Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) müssen sich hunderttausende Arbeitnehmer in den nächsten Jahren beruflich neu orientieren. Die Experten erwarten, dass bis 2025 rund eineinhalb Millionen Arbeitsplätze wegfallen werden. Und dieser Wandel mache vor kaum einer Branche halt.

Das bedingungslose Grundeinkommen kann die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Digitalisierung sein, weil es Arbeitnehmern zusätzliche Macht gibt.

Die Sozialdemokratie steht für einen Sozialstaat, der Chancengleichheit schafft. Der Sozialstaat hat hierbei nicht nur die Aufgabe, Armut zu verhindern, sondern soll ebenso Freiheits- und Beteiligungschancen sicherstellen.

Das Grundeinkommen schafft Voraussetzungen, die für selbstbestimmte Tätigkeiten genutzt werden können. Natürlich werden nicht alle die neu verfügbaren Möglichkeiten ausschöpfen – das tun viele auch heute nicht – aber mindestens wer will, kann die sich mit dem Grundeinkommen bietenden Gelegenheiten ergreifen.

Das bedingungslose Grundeinkommen kann im Kern Teil eines neuen Gesellschaftsvertrags sein, bei dem die Arbeit einen anderen Stellenwert als in der Vergangenheit einnimmt.
Richtig ist, dass mit dem Grundeinkommen der Arbeitsmarkt von einer Vielzahl sozialpolitischer Aufgaben befreit wird. Insbesondere bedarf es keiner sozialpolitisch motivierter gesetzlicher Mindestlöhne mehr. Wieso auch? Die Mindestsicherung tritt an die Stelle des Mindestlohns. Die Existenz aller wird durch das Grundeinkommen gesichert. Ein Mindestlohn, der nur jenen hilft, die Arbeit haben, ist für ein Leben in Würde Aller nicht mehr erforderlich.

Vielleicht sollte der Sozialstaat des 21. Jahrhunderts präventiv Probleme verhindern und nicht im Nachhinein Probleme aktivierend korrigieren wollen. Er soll die Mehrheit der Bevölkerung ermächtigen, vorhandene Fähigkeiten auszuschöpfen.

Ist das Grundeinkommen also eine Antwort auf den digitalen Wandel?

Für mich ist es eine dringende Notwendigkeit, dass wir in den kommenden Jahren verstärkt in Bildung und Qualifizierung investieren. Diese große Investitionsaufgabe wird finanzierbar sein, allerdings können wir nicht gleichzeitig in das Grundeinkommen flächendeckend einsteigen.

Andrea Nahles und die SPD schlägt zunächst ein Erwerbstätigenkonto vor. Die Idee ist, dass jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin ab dem 18. Lebensjahr ein steuerfinanziertes Startguthaben zur Verfügung gestellt bekommt. Dieses Guthaben soll neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Ob beim Sprung in die Selbstständigkeit oder zur Finanzierung von Qualifizierung, bei einem ehrenamtlichen Engagement oder um vielleicht die Arbeitszeit zu reduzieren – grundsätzlich sollte jeder möglichst frei entscheiden können, wofür er das zur Verfügung gestellte Geld ausgeben möchte. So der Plan. Das Erwerbstätigenkonto ermöglicht eine finanzierte Auszeit und es ersetzt keine einzige Sozialleistung. 15.000 bis 20.000 Euro pro Kopf wären finanzierbar. Das Konto soll eine Art Sozialerbe für alle jungen Menschen unabhängig von ihre Herkunft sein.

Ich würde mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens verbinden, dass sich damit durchaus auch der Wunsch nach einem neuen bürgerlichen Staats- und Selbstverständnis verbindet: Anders als in totalitären Systemen gehen wir in unserer Gesellschaft grundsätzlich davon aus, dass jeder Mensch selbstbestimmt denken, handeln und auch wirtschaften kann. Gerade im Niedriglohn- und Arbeitslosigkeitsbereich kapitulieren wir jedoch bisher vor unserem eigenen Anspruch und setzen stattdessen auf Kontrolle und Zwangsmittel, mit der Folge immenser gesamtgesellschaftlicher Kosten. Richtig verstanden befreit ein Grundeinkommen nicht von der Notwendigkeit der Arbeit – es ermöglicht nur eine langfristig effizientere und selbstbestimmtere Art der Arbeit.

Um diese Chance wahrnehmen zu können, müssen wir alle jedoch erst das Vertrauen entwickeln, dass auch dort selbstbestimmtes Verhalten möglich ist, wo dies heute mangels Marktes noch nicht existiert. Damit ist auch die Verantwortung für uns alle verbunden, Ängsten und Vertrauensmangel durch gelebte Solidarität entgegenzutreten.

Die Gefahr besteht allerdings, dass sie die Gesellschaft teilt in solche, die auf einem sehr niedrigem Niveau leben und sich im Grunde an gesellschaftlichem und politischem Leben nicht beteiligen können, weil sie nicht in Arbeit stehen, und anderen, die dann ohne Rücksicht auf soziale Probleme nach dem Ellenbogenprinzip leben würden. Nach meiner Überzeugung ist Arbeit eine wichtige, unverzichtbare Dimension des menschlichen Lebens. Sie schafft Selbstsicherheit und Anerkennung von Anderen, die wir brauchen. Allerdings nur, wenn sie so organisiert wird, dass Menschen darin auch einen Sinn erkennen können. Darüber hinaus kann man Arbeit, Anerkennung und auch gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht trennen.

Das Hauptproblem ist die Arbeitslosigkeit. Wir können sie nicht durch ein bedingungsloses Grundeinkommen abtun, sondern müssen erkennen, dass Menschen, die nicht in Arbeit sind, sich auch nicht am gesellschaftlichen Leben und an der Demokratie beteiligen können - wozu sie aber nach unserem Grundgesetz ein Recht haben und worauf wir auch zum Gelingen der Demokratie angewiesen sind.

Ich könnte mir vorstellen, dass ein ernsthafter Modellversuch, der regional begrenzt sein könnte, aufzeigen kann, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen tatsächlich praktikabel und finanzierbar ist.

Das Grundeinkommen könnte Menschen von ihrer Angst befreien, finanziell und persönlich abzusteigen, wenn sie ihre "normale Erwerbsarbeit" verlieren. Sie können sich so besser entfalten, auf ihre Fähigkeiten konzentrieren und etwas für die Gesellschaft leisten.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Stader