Stefan Josef Graus
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Frage von Philipp W. •

Frage an Stefan Josef Graus von Philipp W. bezüglich Bildung und Erziehung

Herr Graus,

Im Zuge der Föderalismusreform wurde dem Bund ein Großteil der Kompetenzen in der Bildungspolitik zugeschlagen. Wie möchten sie aus Berlin spürbaren Einfluß auf die Bildungschancen der jungen Menschen vor Ort nehmen?

Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Weis,

gerne greife ich ihre Frage bezüglich der bundespolitischen Einflussmöglichkeiten im Bildungssektor auf. Allerdings möchte ich zu Beginn ein paar Worte zur Föderalismusdiskussion vorweg schieben.

Im Rahmen der ersten Föderalismusreform wurden neben dem Bildungsbereich auch einige andere Sektoren neu gegliedert. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich diese Reform erst einmal in ihrer Praxistauglichkeit beweisen mussten. Erste Probleme traten bereits auf. Als Beispiel sei der einheitliche Nichtraucherschutz genannt, der nur möglich ist, wenn alle Bundesländer das gleiche Gesetz verabschieden, oder die europäische Union dies vorschreibt. Der Einfluss des Bundes ist hier der eines Beratenden. Eigentlich eine absurde Situation, dass zwar die Europäische Union, nicht aber die Bundesrepublik hier auf eine Vereinheitlichung bestehen darf. Im Bildungsbereich ging diese Reform so weit, dass der Bund nicht einmal mehr Gelder für gemeinsame Projekte (z.B. Ganztagsschulausbau) zur Verfügung stellen durfte, außer die Mehrheit der Bundesländer hätte diesem zugestimmt.

Solche Stilblüten wurden heuer in der letzten Reform wieder gerade gebogen. Wer allerdings diese Reform mit dem Ursprungszustand (vor 2007) vergleicht stellt fest, dass hier im Bildungsbereich sozusagen der Status Quo wieder hergestellt wurde. Hauptträger der Bildungspolitik sind weiterhin die Länder. Von Bundesseite können zweckgebunden Gelder zur Verfügung gestellt werden, ünber die genaue Verwendung entscheidet aber das Bundesland. Das letzte große Bundesprojekt war, unter rot-grün, die Förderung der Ganztagsbeschulung. Im Saarland, aus dem sie ja kommen, hat diese Gelder, unter Ministerpräsident Müller (CDU), allerdings wenig zur Förderung einer echten Infrastruktur Ganztagsschule genutzt, sondern vor allem im Bauprojekte unter dem Deckmantel der FGTS genutzt. An diesem Beispiel lässt sich gut zeigen wie hier die Möglichkeiten des Bundes ausgelegt sind. Was hat dieses Geld also im Saarland gebracht, kann man fragen. Vor Bereitstellung des Geldes, und teilweise heute noch, wurde die Ganztagsbeschulung als Zwangstagsschule oder als Randnotwendigkeit seitens der saarländischen Landesregierung bezeichnet und erhielt kaum einen Stellenwert. Da die bereitgestellten Gelder allerdings zweckgebunden sind kann heute zumindest in der Ausstattung der Schulen auf ein verbessertes System zurückgegriffen werden, die Akzeptanz seitens der Eltern ist deutlich erkennbar und der Wille zur echten Ganztagsschulstruktur ist deutlich erkennbar. Ein Schulstrukturwandel ist also zwischenzeitlich greifbar geworden.

Letztendlich ist dies zur Zeit der gangbare Weg von Bundesseite aus die Impulse in der Bildungspolitik zu setzen. Dies ist natürlich bei weitem nicht ausreichend und mehr als unbefriedigend. Vor allem da durch die letztlich beschlossene „Schuldenbremse“ die Landeshaushalte stark gestrafft werden müssen. Die Hauptausgaben finden sich im Bildungs- und Personalbereich. Es steht also zu befürchten, dass sich die Bildungsunterschiede und –chancen deutlich verschärfen, Dauerhaft lässt sich dieses Problem, vor allem auch im Hinblick auf ein sich einendes Europa, nur durch ein starkes Mitspracherecht des Bundes entgegentreten. Daher gilt es in meinen Augen zusammenfassend

1) Kurzfristig:
a) Bundesprojekte in der Herausbildung der echten Ganztagsschule stärken
b) Die KMK Richtlinien inhaltlich ,organisatorisch und pädagogisch deutlicher zu gestalten und ihnen neue Verbindlichkeit geben
c) Ein verbindliches Bundesrecht schaffen, dass Bildung als Menschenrecht definiert und daher auch deren freien Zugang und Kostenfreiheit festschreibt (z.B. keine Studien- und Kindergartengebühren)

2) Mittelfristig:
a) Festgeschriebene Mindestausgaben für jedes Bundesland gemessen am eigenen Haushalt im Bildungsbereich einführen
b) Diese müssen im Notfall durch den Bund abgesichert werden und zweckgebunden eingesetzt werden können.

3) Langfristig:
a) Übernahme der Qualitätskontrolle in der Bildung durch den Bund
b) Vereinbarte und bundeseinheitlich festgelegte Schulstandards etablieren

Zusammenfassend ist es daher mein Bestreben den Bildungssektor als bundeseinheitlich organisierten, die Länderspezifika berücksichtigenden Pfeiler der Bundespolitik zu etablieren. Ein Ziel, dass mit Sicherheit einige Zeit brauchen wird und nur mit einer ebenfalls starken Mehrheit im Bundesrat zu erreichen sein wird. Das aber auf Dauer der einzige Weg ist, den Bildungsstandort Deutschland weiterhin attraktiv zu gestalten.