Frage an Stefan Boes von Christof W. bezüglich Recht
Lieber Herr Boes,
folgende Fragen habe ich an Sie:
1. Wie hätten Sie entschieden bei der Abstimmung über die EU-Verfassung?
2. Sind Sie sich bewusst, dass wir keine Gewaltenteilung in der EU haben?
Finden Sie das gut?
3. Welche Nebentätigkeiten haben Sie bzw. für welche anderen Interessen außer die der Bürger würden Sie noch im Bundestag sitzen?
4a. Sind Sie für oder gegen Softwarepatente?
4b. Finden Sie die zunehmende Kommerzialisierung von Information und Wissen gut? Wenn ja, warum?
5. Sind Sie für oder gegen die Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge? (Energie, Gesundheit, Rente, Verkehr etc.)
6. Sind Sie für oder gegen die Auflockerung des Verbots von Folter? (Fall Daschner)
7. Finden Sie das EEG sinnvoll?
Sehr geehrter Herr Weise,
beginnend mit 1. der EU-Verfassung - ihr hätte ich trotz Bedenken in einzelnen Fragen zugestimmt.
Dann 2. Sind Sie sich bewusst, dass wir keine Gewaltenteilung in der EU haben? Finden Sie das gut?
Ich denke nicht, dass man das so sagen kann. Sicherlich fehlen trotz erweiterter Zuständigkeit dem Parlament noch wesentliche Rechte, die andere Parlamente haben - v.a. das Recht, selbst Gesetze zu initiieren - und die Außenpolitik bleibt noch weitgehend seiner Kontrolle entzogen. Aber es ist unabhängig und vom Volk direkt gewählt, kann die Zustimmung zum Haushalt verweigern, und Europäische Gesetze (jetzt noch als Richtlinien oder Rahmenpläne bezeichnet) werden von ihm mitgestaltet und können nicht ohne seine Zustimmung verabschiedet werden - so wie umgekehrt die Kommission, deren Präsident vom Parlament gewählt wird und deren sonstige Mitglieder vom Parlament bestätigt werden müssen, zwar Gesetze intiieren, aber nicht beschließen kann. Als problematisch im Sinne der Gewaltenteilung sehe ich die Rolle der Mitglieder des Europäischen Rates bzw. der Ministerräte, da sie zu Hause Mitglieder der Regierung, auf europäischer Ebene aber als quasi zweite Kammer legislative Funktionen ausüben. Aber eine ähnliche Doppelrolle haben z.B. in Deutschland auch die Mitglieder des Bundesrates. Jedenfalls ist doch nicht zu bestreiten, dass die Institutionen der EU in der Verfassung ein ziemlich ausdifferenziertes System von "checks and balances" der Gewaltenteilung darstellen. Zudem gibt es einen unabhängigen Europäischen Gerichtshof, dessen Bedeutung als Wächter über die Einhaltung der Grundrechte dadurch, dass diese Bestandteil der Verfassung werden, noch verstärkt wird. In der Unabhängigkeit der Gerichte sehe ich übrigens die wichtigste Form der Gewaltenteilung überhaupt.
3. Welche Nebentätigkeiten haben Sie bzw. für welche anderen Interessen außer die der Bürger würden Sie noch im Bundestag sitzen?
Das einizige Nebenamt, dass ich ausübe ist das des ehrenamtlichen Saozialberaters für chronisch Kranke. Deren Interessen würde ich gezielt in Politik umsetzen wollen. Als Mitglied des oberbayerischen Bezirkstages ist mir die gesicherte Finanzierung kommunaler Haushalte ein weiteres Anliegen. Darüber hinaus will ich in der Tat ein Vertreter aller Bürgerinnen und Bürger sein und in diesem Sinn Solidarität gesamtgesellschaftlich definieren.
4a. Sind Sie für oder gegen Softwarepatente?
Software-Patente lehne ich ab. Die Rechte auf geistiges Eigentum dieser Art sollen und können analog zum Urheberrecht geregelt werden. Eine Ausnahme sehe ich in Software, die integraler Bestandteil technischer Erfindungen ist wie z.B. beim ABS-System von Autobremsen. Im Übrigen sehe ich die Patentierung von Software als äußerst schädlich für die Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen an, die dadurch in die völlige Abhängigkeit von den großen Konzernen geraten können.
4b. Finden Sie die zunehmende Kommerzialisierung von Information und Wissen gut? Wenn ja, warum?
Ob ich das gut finde oder nicht, ist eine eher philosophische Frage. Tatsache ist, dass mit Büchern, Datenbanken und Computerprogrammen gehandelt wird und dass Menschen davon leben, dass sie sie verkaufen können. Aufgabe des Staates ist es, gerechte Regeln für diesen Handel vorzugeben (siehe Softwarepatente und Urheberrecht).
5. Sind Sie für oder gegen die Privatisierung kommunaler Daseinsvorsorge? (Energie, Gesundheit, Rente, Verkehr etc.)
Das muss man differenziert betrachten. Ich bin z.B. entschieden gegen die Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung. Aber lassen sich Ärzte "kommunalisieren"? Zur Gewährleistung einer ausreichendenDaseinsvorsorge gibt es kein Patentrezept für alle Lebenslagen. Es gibt auch die Möglichkeit, privatrechtliche Betriebsformen in öffentlicher Hand einzuführen (z.B. bei kommunalen Verkehrsbetrieben). Wenn bestimmte Bereiche privatisiert werden, müssen der Staat bzw. die Kommunen dafür sorgen, dass klare Standards eingehalten werden.
6. Sind Sie für oder gegen die Auflockerung des Verbots von Folter? (Fall Daschner)
Ohne Wenn und Aber dagegen.
7. Finden Sie das EEG sinnvoll?
Das EEG ist ein wichtiges Instrument. Die Energiewende weg vom Öl und von der Kernkraft zu ermöglichen, hat international Vorbildcharkter angenommen und sollte weitergeführt werden. Erneuerbare Energien sind außerdem ein Exportschlager und schaffen Arbeitsplätze.
Mit freundlichem Gruß,
Stefan Boes.