Frage an Silke Gajek von Siegfried L. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Gajek,
können Sie die Themen "bedingungsloses Grundeinkommen" und "ÖPNV im ländlichen Bereich" aus I H R E R Sicht kurz umreißen?
M.f.G.
S. Lucht, HH, 26.08.2009
Sehr geehrter Herr Lucht,
Herzlichen Dank für Ihre Frage.
Mit zunehmender sozialer Spaltung gewinnt die Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen ständig an Bedeutung. Sozialer Zusammenhalt muss ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft bleiben. Ich bin aber skeptisch, ob dies durch das bedingungslose Grundeinkommen erreicht werden kann. Sozialer Zusammenhalt wird immer bedeuten, dass sich eine Gesellschaft auf Prioritäten einigt. Das ist aus meiner Sicht die Parteinahme für die Schwächsten. Das Grundeinkommen hat zum Ziel, dass Menschen ihre Potenziale entfalten können. Wer sie dabei unterstützen will, muss ihnen aber mehr anbieten als bloße Geldtransfers. Selbst die Befürworterinnen und Befürworter eines Grundeinkommens räumen ein, dass ein bundeseinheitliches Grundeinkommen nicht überzeugend wäre. Die oft sehr unterschiedlichen Wohnkosten müssten berücksichtigt werden. Auch die Bedarfe der Antragstellerinnen und Antragsteller dürfen nicht über einen Kamm geschoren werden. Auch können sozialstaatliche Errungenschaften wie die Rentenversicherung nicht über Nacht abgeschafft werden; auf andere wie Krankenversicherung, Pflegeversicherung oder auch die Eingliederungshilfe für Behinderte kann gar nicht verzichtet werden. Da viele Bürgerinnen und Bürger arbeiten wollen wird unseres Erachtens auch aktive Arbeitsmarktpolitik nicht überflüssig. Ich unterstütze deshalb die Idee der Grünen Grundsicherung, die sowohl auf Teilhabe wie auch auf Existenzsicherung setzt. Der Staat soll aktivieren, indem er Strukturen schafft, in denen Potenziale des oder der Einzelnen entdeckt und entwickelt werden können. „Fördern und Fordern“ ist vor diesem Hintergrund ein nicht eingelöstes Versprechen der Hartz- IV-Reformen, denn bislang wurde viel zu einseitig auf das Fordern und auf Sanktionen gesetzt. Wir wollen den Aspekt des Förderns deutlich in den Vordergrund stellen.
Der ÖPNV ist gerade in ländlichen Räumen für viele Menschen Voraussetzung für Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Ich lehne eine Verkehrspolitik ab, die einseitig auf das Auto setzt und damit viele Jugendliche und Senioren und Menschen ausschließt, die aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen oder aus ökologischer Verantwortung kein Auto haben. Bislang setzt die Landespolitik in Mecklenburg-Vorpommern einseitig auf die Förderung des Straßenverkehrs. Von den über 500 Millionen Euro, die mit Förderung der EU in den letzten sieben Jahren für Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werden konnten, wurden nur 200.000 Euro für den Bus- und Bahnverkehr eingesetzt. Die übrigen 499,8 Millionen Euro gingen in den Straßenbau. Auch von den Finanzhilfen des Bundes profitierte der ÖPNV auf dem Land bislang wenig. Der Anreiz, mehr Fahrgäste und mehr Fahrgeldeinnahmen zu erzielen, ist zu gering. Dies schadet auch dem Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern. Die Bahn beispielsweise verliert dort gegenüber anderen Verkehrsträgern kontinuierlich an Boden, wie Erhebungen des Landestourismusverbandes zeigen. Mecklenburg-Vorpommern benötigt endlich ein integriertes Verkehrskonzept. Ich bin gegen Kürzungen bei Bus und Bahn. Rufbusse oder Anrufsammeltaxis ermöglichen gerade in schwächer besiedelten Gebieten Mobilität auch jenseits des Linienverkehrs. Auch wichtige Bahnverbindungen (bspw. die Bahnstrecke Lübeck–Rostock–Stralsund oder Rostock–Berlin) müssen weiter ausgebaut, stärker bedient werden. Wir wollen besser aufeinander abgestimmte Verbindungen durch einen Mecklenburg-Vorpommern-Takt. Auf einen Neu- und Ausbau von Straßen gerade in schrumpfenden Regionen kann man hingegen oft verzichten. Auch der Rückbau von Straßen darf angesichts der hohen Unterhaltungskosten kein Tabu sein.
Mit freundlichen Grüßen,
Silke Gajek