Frage an Sigrid Beer von Stefan M. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Beer,
wir, die „ Elterninitiative Kölner GU-Schulen“, möchten Sie und Kandidaten anderer Parteien um Beantwortung folgender Fragen zum Thema Inklusion bis 6. Mai bitten. Die Antworten werden rechtzeitig vor der NRW-Wahl der Elterninitiative vorgestellt.
1. Trotz UN-Konvention und Inklusionsplänen sind noch viele Sonderpädagogen in Förderschulen gebunden. Immer mehr Förderkinder besuchen inzwischen Regelschulen, wo großer Mangel an Sonderpädagogen herrscht. Was werden Sie kurzfristig tun, um den Mangel zu beheben (auch: Sopäd.-Vertretungspool)?
2. Was werden Sie tun, um mehr Studierende für Sonderpädagogik zu gewinnen oder auch im Lehramtsstudium Pflichtseminare für gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter SchülerInnen einzuführen?
3. Was werden Sie tun, um Regel- und Förderschullehrern die Unsicherheit vor inklusivem Unterricht zu nehmen? Eine sogenannte Fortbildungsoffensive darf sich nicht auf zwei Tagesfortbildungen an einer Schule beschränken, die mit Inklusion beginnen will.
4. Bis wann sehen Sie das Auslaufen der Förderschulen emotionale und soziale Entwicklung sowie Lernen?
5. Es wird zunehmend schwierig, offene Stellen im offenen Ganztag zu besetzen, vor allem mit qualifiziertem Personal, die Fluktuation ist hoch und die unbedingt nötige Kontinuität und Qualität der Betreuung nicht gewährleistet. In KiTas gibt es feste tariflich abgesicherte Erzieherstellen mit entsprechenden Sozialleistungen. Die OGTS-Finanzierung erlaubt das nicht, Erziehergehälter liegen hier deutlich bis dramatisch unter dem Niveau der in städtischen KiTas gezahlten Gehälter. Was werden Sie tun, um diesen Missstand zu beheben?
6. Die Schuldenbremse beginnt zu greifen, daher kann eine - besonders in der Übergangszeit benötigte - zusätzliche Finanzierung nur durch Umschichtung im Haushalt erreicht werden. Woher soll das Geld kommen?
Mit freundlichen Grüßen,
Ute Mey de Perez und Stefan Mach (Elterninitiative Kölner GU-Schulen)
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Frau Mey de Perez, sehr geehrter Herr Mach,
ich danke für Ihre Fragen, zu denen ich gerne Stellung nehme.
Die Umsetzung der UN-Konvention in Landesrecht, besonders im Schulgesetz ist für die Grünen und auch für mich persönlich eine zentrale und prioritäre Aufgabe in der nächsten Legislatur. Trotz Auflösung des Landtags soll der Rechtsanspruch zum Schuljahr 2013/2014 gesetzlich zum Tragen kommen. In dem Inklusionsprozess, der sich auch nach Einschätzung der Gutachter Klaus Klemm und Ulf Preuss-Lausitz auf ca. 10 Jahre erstrecken wird, brauchen wir einen sorgsamen, nachhaltigen, gelingenden Prozess, der sich an alle Schulen und Schulformen richtet und sie schrittweise einbezieht.
Deshalb soll es Vorreiterschulen (und zwar in allen Schulformen) geben, die Unterstützung durch ein Start-Budget erhalten. Wir wollen die SonderpädagogInnen–Ressourcen nicht in homöopathischen Dosen („eine Sunde hier, zwei Stunden da“) über das Land verteilen, sondern auch so einsteigen und konzentrieren, dass SonderpädagogInnen fest im Kollegium verankert sind. Grundprinzip ist die gemeinsame Verantwortung aller KollegInnen (allgemein bildende u. sonderpädagogische Lehrkräfte) für alle Kinder. Dazu gehört weiterhin eine gemeinsame unterrichts- und Schulentwicklung auf der Basis einer Pädagogik der Vielfalt. Der fachliche Austausch und Fortbildung der SonderpädagogInnen ist dabei kommunal/regional ergänzend zu gewährleisten. Im Rahmen von kommunalen/regionalen Netzwerken können Vertretungskonzepte und Poollösungen greifen. Das gilt auch für die Frage von Integrationsassistenzen.
Mit den Hochschulen muss die Ausweitung der Studienplatzkapazitäten im Rahmen der Zielvereinbarungen geregelt werden. Das gilt für das grundständige Studium wie auch für die Plätze zum Erwerb von Zusatzqualifikationen oder Aufbaustudien. Die Pädagogik der Vielfalt muss im Lehramtsstudium grundsätzlich verankert, sonderpädagogische Anteile müssen gesteigert und verbindlich werden. Auch in der Fort- und Weiterbildung ist eine systematische Verankerung vorgesehen. Zeit ist ein wichtiger Faktor besonders für die Kollegiumsfortbildung und pädagogische Tage schaffen die zeitlichen Möglichkeiten. Ergänzend wird die Netzwerkarbeit der Schulen untereinander bedeutsam. Gerade Schulen, die erfolgreich und erfahren im Gemeinsamen Unterricht arbeiten, sollen als Vorreiterschulen darin unterstützt werden, als Multiplikator zu wirken.
Viele Menschen, gerade auch Eltern, LehrerInnen sowie PolitikerInnen und auch VertreterInnen der Schulverwaltung sind noch von der Vorstellung geprägt, dass es besser sei, Kinder zu sortieren als sie gemeinsam lernen zu lassen.
Die Inklusionsarbeit muss in einen gesamtgesellschaftlichen Prozess eingebunden werden, in dem die guten Beispiele des gemeinsamen Lebens und Lernens bekannt und sichtbar gemacht werden. Positive Vorstellungen und Bilder über das gemeinsame Lernen müssen deshalb vermittelt und Befürchtungen abgebaut werden, damit sich Einstellungen und Haltungen nachhaltig verändern. BotschafterInnen für Inklusion sind ebenso notwendig wie vor allem auch die verlässliche zusätzliche Ausstattung der Schulen mit Ressourcen.
Der Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung, verbunden damit, dass Kinder nicht mehr in Förderschulen abgeschult werden sollen, wird eine Entwicklung verstärken, die jetzt schon unter den Bedingungen des demografischen Wandels mehr und mehr zu verzeichnen ist. Viele Förderschulen erreichen nicht mehr die notwendigen MindestschülerInnenzahlen. Das wird die Zahl der Förderschulen, besonders im Bereich Lernen/ESE/Sprache per se dynamisch reduzieren. Klemm/Preuss-Lausitz sprechen von mehr als 80% der Förderschulen, allein im Bereich Lernen, die in den nächsten Jahren durch die Demografie selbst die Ausnahmemindestgrößen nicht mehr erreicht. Wir sehen deshalb auch Brücken- und Kooperationsmodelle mit allgemein bildenden Schulen vor, damit Schulen geregelt „auslaufen“ können. Mit „Zentren zur unterstützenden Pädagogik“ werden wir die allgemein bildenden Schulen unterstützen, Kindern mit herausforderndem Verhalten gerecht zu werden. Sie werden u.a. die Möglichkeit zur temporären Herausnahme bieten, um ggf. individuelle Förderung in Kooperation mit Maßnahmen der Jugendhilfe zu gewährleisten. Die SchülerInnen bleiben aber durchgängig SchülerInnen ihrer allgemeinbildenden Schule. Hier könnte eine Aufgabe für die Kompetenzzentren liegen sich zu solchen Unterstützungszentren (weitestgehend Schule ohne SchülerInnen) weiter zu entwickeln, in denen u.a. auch die Beratung der Eltern insgesamt von der frühkindlichen Bildung über die e Schullaufbahn bis hin zur beruflichen Förderung angesiedelt sein sollte.
Die rot-grüne Landesregierung hat gerade den Investitionen in Bildung Priorität eingeräumt. So konnte die grüne Schulministerin für eine Anhebung der OGS-Paschaulen um 14% sorgen. Neben weiteren Investitionen, z. B. in die frühkindliche Bildung (400 Millionen bis 2012) wurden die Kommunen mit über einer Mrd. € zusätzlich ausgestattet, so dass sie auch ihre Schulträgeraufgaben besser erfüllen können.
Die pädagogischen Konzepte, die Qualität der OGS und die Beschäftigungsbedingungen müssen auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Träger vor Ort diskutiert und bearbeitet werden.
Die rot-grüne Koalition hat schon in den letzten beiden Jahren klar und wahr gemacht, dass sie in Bildung investiert: Durch zusätzliche Investitionen in Lehrerstellen (insgesamt mehr 2000 Lehrerstellen, davon 600 Stellen für die Stellenzuschläge beim GU, die 53 regionalen KoordinatiorInnen sowie knapp 300 Sonderpädagogik-Stellen), den Erhalt der demografischen Effekte im Schulhausalt (9500 Stellen bis 2015) und zusätzliche Fortbildungsmittel (5 Mio € speziell für den Inklusionsprozess), die trotz Auflösung des Landtags schon freigegeben sind. Ein Gutteil der demografischen Effekte wird für die notwendige Mehrausstattung im Inklusionsprozess zur Verfügung stehen.
Die Einhaltung der Schuldenbremse erfordert neben der Prioritätensetzung im Haushalt eine grundlegende Aufgabenkritik z. B. auch in Bezug auf bisherige „Leuchtturm-Großprojekte“ im Land. Vor allem geht es aber auch um eine Verbesserung der Einnahmesituation: z. B. beim Abbau von Privilegien beim Braunkohletagebau, wo die Firmen für Bergschäden aufkommen müssen (allein ca. 149 Mio € pro Jahr) und auch Steuererhöhungen für SpitzenverdienerInnen. Ergänzend muss das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Sachen Bildung aufgehoben werden. Wir brauchen ein Investitionsprogramm für die Kommunen in Sachen Inklusion und Ganztag.
Auch dafür werden die Grünen sich stark machen.
Mit freundlichen Grüßen
Sigrid Beer