Frage an Sigmar Gabriel von Richard G. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Gabriel,
was können Sie, der Bundestag und die EU gehen nachfolgende Praktiken tun?
Finanzielle Massenvernichtungswaffen fahren die Ernte ein - von Prof. Wolfgang Berger
Niedrige Hypothekenzinsen und die Erwartung steigender Immobilienpreise haben auch „Subprime“-Kreditnehmer (mit schlechter Bonität) zu Hauseigentümern gemacht. Diese Kredite wurden zu „Derivaten“ gebündelt und mit kurzfristigen Rückkaufvereinbarungen („Repos“ = Sale and Repurchase Agreement) weiterverkauft. So kam erst einmal Geld in die Kasse. Bear Sterns und Lehman Brother (USA) brachen 2008 zusammen, als sie Rückkaufverpflichtungen nicht erfüllen konnten. Das aber waren nur Testläufe.
Früher wurden Kredite gegen Sicherheiten vergeben. Jeder Hauseigentümer weiß das. Derivate in Verbindung mit Repo-Geschäften schöpfen Geld ohne Sicherheiten. Die eine Bank nimmt, die andere gibt – und das im Kreislauf ad infinitum. Das Geld kommt nicht in die Realwirtschaft, die dem Finanzsektor gleichgültig ist. Deshalb löst es keine Inflation aus. Der Kreislauf hat sich zum Killer-Spiel entwickelt: Live and let die (lebe and lasse sterben). Als Bear Sterns zusammenbrach war JP Morgan Chase der Sieger. Von Lehman Brothers Untergang haben die britische Barclays und Goldman Sachs profitiert.
Der Test hat funktioniert. Goldman Sachs hat mit Hank Paulson als US-Finanzminister mehrere Gesetze durchbringen lassen, die Derivate in safe havens (sicheren Häfen) verwandelt haben. Das bedeutet: Eine Bank, die Wertpapiere über Derivate besitzt, kann diese beim Konkurs der Schuldnerbank behalten. Durch zwei EU-Direktiven haben Derivate-Besitzer auch in Europa bevorzugten Gläubigerstatus. Während es im regulären Insolvenzrecht eine Bevorzugung von Gläubigern nicht gibt, ist sie bei Derivaten jetzt die Norm.
Nun konnte der nächste Testballon steigen:
Quelle http://www.business-reframing.de/wer-stirbt-wer-bleibt-uebrig/
Sehr geehrter Herr Groß,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema Finanzmarktregulierung, die ich gerne beantworte.
Sie fragen, wie wir die Finanzmärkte wieder in ihre Schranken verweisen können.
Um es zusammenfassend zu sagen: Wir müssen und werden dafür sorgen, dass an den Finanzmärkten das wichtigste marktwirtschaftliche Prinzip wieder in Kraft gesetzt wird: Dass Risiko und Haftung zusammen gehören. Gier, Betrug und Unverantwortlichkeit dürfen sich nicht mehr lohnen.
Finanzmärkte brauchen deshalb Regeln, die das Gemeinwohl sichern und verhindern, dass die Demokratien der Welt von Banken und Börsen erpressbar gemacht werden. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag mit der Union wichtige Forderungen in diese Richtung durchgesetzt. Dazu zählen u.a., dass wir uns dafür einsetzen, dass in Europa die spekulativen Investmentbanken von dem klassischen Geschäftsbankengeschäft strikter getrennt werden; dass die im Rahmen der europäischen Umsetzung von Basel III vereinbarten strengeren Eigenkapital- und Liquiditätsstandards für Banken in den vorgegebenen Zeitplänen konsequent umgesetzt werden; dass eine effektive Europäische Bankenaufsicht eingerichtet wird; dass Schattenbanken so reguliert werden wie der klassische Bankensektor, wenn sie gleiches Geschäft betreiben und gleiches Risiko für die Stabilität des Finanzsystems darstellen. Alle Geschäftsbeziehungen zwischen Banken und Schattenbanken müssen transparent gemacht und Ansteckungsrisiken begrenzt werden.
Wir unterstützen die auf europäischer Ebene vorgesehene strengere Regulierung des Hochfrequenzhandels und die Ergänzung der europäischen Vorschriften zur Regulierung des Derivatehandels, um den transparenten Handel auf geregelten Börsen und Handelsplätzen zu stärken und der Entstehung systemischer Risiken entgegen zu wirken.
Und: Mit einer Finanztransaktionssteuer werden wir Spekulationsgeschäfte in Europa endlich besteuern. Sie wird nahezu alle Finanzspekulationen erfassen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir das Primat der Politik wieder herstellen können.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel