Frage an Sigmar Gabriel von Willi R. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gabriel,
beim Thema Finanzen fällt mir die - seit Jahrzehnten, von allen Politikern, gebetsmühlenartig, wiederholte "Notwendigkeit zum Schuldenabbau" ein. Da dies offensichtlich bisher nicht, oder nicht gründlich genug, geschehen ist, möchte ich Sie heute fragen: Liegt dies möglicherweise daran, daß wir ein schuldenbasiertes Geld - System haben? - und, wenn dem so ist, wohin führt uns dann das Euroabenteuer?
Mit freundlichen Grüßen
Willi Riebesehl
Sehr geehrter Herr Riebesehl,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Schuldenabbau und zur gemeinsamen europäischen Währung, die ich gerne beantworte.
Die Gründe für einen verzögerten Abbau öffentlicher Schulden sind vielschichtig (so z.B. konjunkturelle Erfordernisse, außergewöhnliche Ereignisse) und logischerweise auch systembedingt. In einem nicht-schuldenbasierten Geldsystem wäre auch eine öffentliche Verschuldung nicht möglich.
Um der Diskussion um den Abbau der öffentlichen Verschuldung die Dramatik zu nehmen, muss man darauf hinweisen, dass es sinnvollerweise nicht um einen vollständigen Schuldenabbau gehen kann und eine öffentliche Kreditaufnahme per se nicht nur negativ bewertet werden darf:
Mit Krediten finanzierte öffentliche Infrastrukturinvestitionen sind generationengerecht. Die Verschuldung des Staates sollte ihre Entsprechung im Infrastrukturvermögen der Volkswirtschaft haben.
Auch Zinszahlungen des Staates sind nicht per se zu verdammen, denn sie fließen den Gläubigern zu - dies sind vor allem die privaten Haushalte. Diese Zinseinnahmen bilden eine wichtige Säule der Altersvorsorge. Die Gesamtverschuldung auf null zu führen, hieße daher, den privaten Haushalten diese sichere Säule zu nehmen.
Wie bei allem, so ist auch beim Thema Staatsverschuldung das vernünftige Maß das Entscheidende.
Wir haben kein "Euroabenteuer, sondern ein gemeinsames europäisches Projekt, das weit über eine Währungsunion hinaus entwickelt zu werden lohnt. Nur geeint und im festen Zusammenschluss der Europäischen Union hat Europa eine Chance im globalen Wettbewerb von Ideen und Werten, von Politik und Wirtschaft. Deshalb wollen wir die politische Union Europas weiter vertiefen.
Für uns bedeutet die gemeinsame Antwort auf die Krise nicht, dass sich die Politik in einseitiger Sparpolitik erschöpft. Die Lösung der Krise muss über eine rein fiskalpolitische Antwort hinausgehen. Neben fiskalpolitischen Maßnahmen und strikteren Regeln für die Banken und Finanzmärkte wollen wir gemeinsame europäische Impulse für mehr Wachstum und Beschäftigung und eine stärkere soziale Dimension der EU in der Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion.
Mit dem geeinten Europa haben wir einen Ort geschaffen, an dem Frieden herrscht und der die Basis ist für Wohlstand und soziale Gerechtigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel