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Frage von Guntram S. •

Frage an Sigmar Gabriel von Guntram S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gabriel,

gestern haben Sie bei "Illner intensiv" für Steuererhöhungen auf der Einkommensseite (natürlich nur bei den sog. "Besserverdienenden") plädiert. Dabei fängt bei der SPD, betrachtet man die Politik der letzten Jahrzehnte, "besserverdienend" bereits knapp oberhalb von Hartz 4 an, was das Nettoeinkommen angeht).
Ist es überhaupt sinnvoll, Menschen auf der Einkommens-/Vermögensseite zu besteuern, da diese Form der Besteuerung ja nicht gerade dazu motiviert, mehr zu leisten, bzw. überhaupt einem Erwerb nachzugehen?
Machen es Menschen, die das Prinzip der SPD verstanden haben und folglich sich bewusst in den Sozialsystemen einrichten, es da nicht genau richtig, dass sie darauf verzichten, etwas zu leisten, und lieber Leistungen anderer in Anspruch nehmen, als sich 40 Stunden/Woche für einen Arbeitgeber einzusetzen, von dessen Unternehmen sie persönlich vielleicht gar nicht mal überzeugt sind?
Und vergessen dabei allerdings, dass sie den Mitmenschen schaden, die nach wie vor etwas leisten WOLLEN, aber durch Ihr System der leistungsfeindlichen Besteuerung immer größere gesundheitliche Belastungen hinnehmen müssen?
Seit vielen Jahrzehnten höre ich von Ihrer Seite, dass Sie ein sozial gerechteres System wollen. Finden Sie es wirklich sozial gerecht, wenn einige Berufsgruppen sich an dem im Wesentlichen auf der Sozial-Politik der SPD der 70er beruhenden Rechtssystem bedienen (z.B. einige Anwälte, Psychologen, Mediziner), das zudem einen überdimensionierten Verwaltungsaufwand (== Gesellschaftskosten) nach sich zieht)?
Ist es nicht sozialer, den Menschen ihre Entscheidungshoheit über das selbst verdiente Geld zu belassen und nur dort soziale Umverteilung vorzuschreiben, wo es aus mangelder Einsicht von Teilen der Bevölkerung keine Alternative gibt, z.B. in der Familienförderung?
Zumal die Einnahmen aus Verbrauchssteuern weitaus größer sind, als aus der Einkommensteuer?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seiss,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Einkommens- und Vermögensbesteuerung, die ich gerne beantworte.

Sie bezweifeln die Sinnhaftigkeit der Besteuerung von Einkommen und Vermögen, da Sie demotivierende Effekte (bis hin zum Verzicht auf Erwerbstätigkeit) unterstellen.

Ich halte diese Behauptung für nicht haltbar angesichts von mehr als 41 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land, das seit seinem Bestehen die Besteuerung des Einkommens - übrigens nach der Leistungsfähigkeit) und des Vermögens (ausgesetzt seit 1997) praktiziert und in seiner Verfassung festgeschrieben hat. Es ist auch nicht haltbar, wenn Sie einmal über unsere Landesgrenzen hinweg schauen.

"Ist es nicht sozialer, den Menschen ihre Entscheidungshoheit über das selbst verdiente Geld zu belassen...?"

Mit einem gänzlichen Verzicht auf eine Einkommensbesteuerung, oder der Zubilligung an jedes Individuum selbst zu entscheiden, ob, wann und wie viel es der Gemeinschaft geben möchte, um öffentliche Güter zu erstellen /anzubieten, wäre erstens kein Staat zu machen und zweitens keine gerechte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gemäß ihrer Leistungsfähigkeit an den gemeinschaftlichen Aufgaben möglich.

Ein Ersatz der Einkommens- und Vermögensbesteuerung durch eine Verbrauchsbesteuerung - wie Sie vorschlagen - führte zu noch stärkeren sozialen Verwerfungen als wir sie jetzt schon haben und widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Denn unsere Einkommensbesteuerung ist progressiv ausgestaltet, Verbrauchssteuern hingegen wirken regressiv, will heißen, sie belasten jene mit geringem Einkommen stärker als diejenigen mit hohem Einkommen.

Zum Abschluss ein Hinweis darauf, was wir Sozialdemokratinnen und -demokraten unter "besserverdienend" verstehen: Gemäß unseren Plänen zur Einkommensbesteuerung soll es beim Einkommensteuertarif eine Proportionalzone zwischen 52.882 zu versteuerndem Einkommen (zvE) und 64.000 zvE mit dem derzeitigen Steuersatz in Höhe von 42 % geben und eine 3. Progressionszone zwischen 64.000 Euro und 100.000 Euro zvE, so dass ab zvE von 64.000 Euro die Mehrbelastung einsetzen würde.

Bei ca. 74.000 Euro Jahresbruttolohn (Single und kinderlos) würden demnach gerade mal 2 Euro mehr Steuern pro Jahr (!) anfallen.

Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresbruttolohn in Deutschland beträgt knapp 30.000 Euro (Jahresbruttolohn!).

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel