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Frage von Jochen D. •

Frage an Sigmar Gabriel von Jochen D. bezüglich Soziale Sicherung

1.) Wie beurteilen Sie die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den Politikern mit dem Gesundheits-Modernisierungs-Gesetz (GMG) 2004 sanktionierte Umwidmung von eigenfinanzierten Direktversicherungen (DV) in "betriebliche Versorgungsleistungen", die damit ohne Übergangsregelung nach Fälligkeit dem vollen Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse unterliegen?

2.) Wie beurteilen Sie die nachträglich verfügte und legalisierte "KK-Verbei-tragung" der DV-Kapitalleistung aus eigenfinanzierten Direktversicherungs-Verträgen?

3.) Wie läßt sich Ihrer Auffassung nach die o.a. Interpretation des GMG (KK-Verbeitragung von DV-Kapitalleistungen) mit elementaren Rechtsgrundsätzen wie Vertragsschutz, Bestandsschutz, Vertrauensschutz, Eigentumsrecht vereinbaren?

4.) Anerkennen Sie einen Unterschied zwischen betrieblich, d.h. vom Arbeitgeber gezahlten DV-Versicherungsbeiträgen und privat vom Arbeitnehmer aufgewendeten DV-Versicherungsbeiträgen?

5.) Welche Initiative planen Sie zur Korrektur des Unrechtes der "KK-Verbei-tragung" privat finanzierter (zur Vorsorge und nicht zur Versorgung!) DV-Versicherungen?

Jochen Drake

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Drake,

ich danke Ihnen für das Schreiben, in dem Sie Kritik zu den Krankenversicherungsbeiträgen auf Versorgungsbezüge äußern. Diese Problematik ist uns bekannt. Es besteht der weit verbreitete Irrtum, dass auf Versorgungsbezüge keine Krankenversicherungsbeiträge entrichtet werden müssen, sondern nur auf die gesetzlichen Renten. Obwohl die Gesetzeslage seit 2003 so besteht, werden viele Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Renteneintritt erstmalig mit der Situation konfrontiert und in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam.

Ich will Ihnen kurz erläutern, warum diese Regelungen so getroffen wurden und bis heute Bestand haben. Bereits vor 2003 musste auf Versorgungsbezüge der sogenannte Arbeitnehmeranteil entrichtet werden. 2003 wurde dann beschlossen, die Versorgungsbezüge mit dem vollen Beitrag zu belasten, um eine Gleichbehandlung mit den freiwillig versicherten Rentnerinnen und Rentnern zu schaffen. Freiwillig Versicherte müssen seit jeher mit ihrem gesamten Alterseinkommen beitragen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen dauerhaft ein starkes Gesundheitssystem erhalten, in dem alle die Leistungen bekommen, die sie benötigen. Es ist unser großes Ziel, soziale Spaltung durch Zwei-Klassen-Medizin zu verhindern. Wer in Deutschland schwer krank ist, bekommt unabhängig von der sozialen Situation als gesetzlich Versicherter eine gute und moderne Behandlung – dies wird besonders im Vergleich mit anderen Ländern deutlich.

Es ist eine große Herausforderung, diese Errungenschaften auch in Zukunft zu gewährleisten. Auf der einen Seite gibt es einen schnellen – und teuren – medizinischen Fortschritt, an dem alle teilhaben sollen. Auf der anderen Seite gibt es durch die Alterung der Gesellschaft eine steigende Anzahl an Rentnerinnen und Rentnern, die altersbedingt mehr Leistungen in Anspruch nehmen müssen und gleichzeitig weniger Beitrag zahlen als während der Erwerbsphase. Um das Gesundheitssystem leistungsfähig zu halten, müssen wir daher die Strukturen so weiterentwickeln, dass wir mit dem gleichen Aufwand mehr Nutzen für die Patientinnen und Patienten erzielen und die Ausgaben unter Kontrolle halten. Wir müssen aber auch die Beitragslast so verteilen, dass wir langfristig finanzielle Sicherheit in der Krankenversicherung haben. Die volle Beitragslast auf die Versorgungsbezüge leistet dazu einen wichtigen Beitrag, auf den wir nicht verzichten können. Die Alternative dazu ist eine noch stärkere Belastung der jüngeren Generation, vor allem der Familien, oder Leistungseinschränkungen. Dies ist für uns nicht vorstellbar.

Wir wissen, dass die volle Beitragserhebung auf Versorgungsbezüge im Einzelfall auch mit hohen Belastungen verbunden ist, die als ungerecht empfunden werden. Ein Verzicht auf diese Regelung würde aber zu einer insgesamt höheren Beitragslast führen, z.B. für Jüngere mit Kindern oder aber auch für diejenigen, die z.B. gar keine Betriebsrente haben und daher noch schlechter abgesichert sind. Auch deshalb stellen wir gegenwärtig diese Regelung nicht in Frage.

Viele der derzeitigen Bestimmungen im Beitragsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung resultieren aus dem ungerechten nebeneinander von PKV und GKV. Um in Zukunft die Beitragsgerechtigkeit zu stärken und die Beiträge tatsächlich gerechter zu verteilen, wollen wir die Bürgerversicherung einführen, um alle in ein gleiches und gerechtes Versicherungssystem einzubeziehen. In diesem Zuge wollen wir dafür sorgen, dass für alle Versicherten wieder transparenter wird, für welche Einkommen Beiträge gezahlt werden müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel