Portrait von Sigmar Gabriel
Sigmar Gabriel
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Sigmar Gabriel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Stefan R. •

Frage an Sigmar Gabriel von Stefan R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gabriel,

mit Begeisterung habe ich mir heute ihre Beiträge im Zetgeschichtlichen Forum Leipzig zum Thema "Zukunft der Sozialen Demokratie. Herausforderungen für Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft" angehört.

Sie sprachen u.a. über das verlorene Vertrauen der Bürger in die Poltiik und ich war überrascht wie selbstkritisch Sie auch über das Handeln ihrer Partei bzw. die gemachten Fehler in den letzten Jahren gesprochen haben.

Für mich war auch alles was Sie sagten schlüssig und würde ich allein ihre Reden, ihre Ideen und ihr Engagement betrachten, würde ich sofort die SPD wählen und andere Mitmenschen davon überzeugen wollen es mir gleich zu tun.

Was mich jedoch davon abhält sind nicht die gemachten Fehler der Regierungszeit, sondern die nie beantwortete Frage, warum die SPD danach alle falschen Entscheidungen von Schwarz / Gelb mitgetragen hat?

Bei den Rettungspaketen für die Krisenländer gab es bei Schwarz / Gelb mehr Gegenstimmen als bei den Abgeordneten von Rot / Grün.
Bei diesen Rettungspaketen kann ich es Aufgrund der nicht abzusehenden Folgen auf dem Finanzmarkt noch halbwegs verstehen, dann darf man aber meine Erachtens auch nicht dagegen Reden, wenn man am Ende dafür stimmt.

Des weiteren kann ich nicht verstehen, wie bzw. warum man sich z.B. bei der Abstimmung über eine mögliche Wasserprivatisierung enthalten hat.

Die SPD hat meines Erachtens ihr Vertrauen nicht Allein in der Regierungszeit verpspielt, sondern besonders als nicht vorhandene Opposition und wurde selbst in den Medien (z.B. der Zeit) als "Ja, aber" - Partei bezeichnet, die zwar Links bzw. gegen die Regierung redet, dann aber doch die Kernentscheidungen mitträgt.

Ich hoffe Sie können mir erklären wie dieser Unterschied zwischen den Reden und dem Handeln der SPD zusammen hängt.

Portrait von Sigmar Gabriel
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Richardt,

vielen Dank für Ihr Lob (auch noch aus unserer Gründungsstadt Leipzig am Tag unseres 150. Geburtstags!) und auch vielen Dank für Ihre Fragen, die mir die Gelegenheit zur Klarstellung geben.

Zuerst zur Frage der Abstimmung über die Wasserprivatisierung. Um es klar zu sagen: Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten sind der Meinung, dass man Wasser natürlich nicht privatisieren darf. Deshalb unterstützen wir natürlich auch die Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Wasser ist ein Menschenrecht". Ich habe bereits vor Monaten alle Gliederungen der SPD aufgerufen, Unterschriftenlisten an Infoständen und in Bürgerbüros auszulegen, damit eine Vielzahl von Menschen sich an der Aktion beteiligt und der Druck gegen die Öffnung des Marktes wächst. Gerne empfehle ich Ihnen zwei Artikel zum Thema auf SPD.de dazu: http://www.spd.de/aktuelles/89306/20130211_eu_wasser_petition.html und http://www.spd.de/aktuelles/92040/20130305_spd_wasserprivatisierung.html

Unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat nun mit dafür gesorgt, dass dieser Punkt, der auch auf dem Bürgerkonvent der SPD Anfang März als besonders wichtig beschlossen wurde, mit in unserem Wahlprogramm steht.

Sie spielen nun auf die Abstimmung im Bundestag Ende Februar an. Im Internet geistern Schaubilder herum, dass die SPD sich beim Antrag der Fraktion Die Linke gegen die Wasserprivatisierung am 28. Februar 2013 im Deutschen Bundestag enthalten hat. Die Begründung dafür ist aber einfach: Wir hatten in der gleichen Debatte einen eigenen, viel weiter gehenden Antrag in den Bundestag eingebracht. Und da die Partei Die Linke in ihrem Antrag zur sogenannten Konzessionsrichtlinie (Wasser ist ein Menschenrecht - Privatisierung verhindern) die anderen, für uns ebenfalls wichtigen Aspekte der Richtlinie nicht thematisiert hat, haben wir uns bei deren Antrag enthalten. Der Antrag der Partei Die Linke ging uns einfach nicht weit genug.

Denn es sind auch andere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge von der Richtlinie betroffen. Zu den nichtliberalisierten Feldern gehört neben der Wasserversorgung auch der gesamte Bereich der Gesundheitswirtschaft, so dass Verträge zwischen Kommunen und Gesundheitsdiensten bzw. Krankenhäusern/Altenheimen in Zukunft von den neuen Richtlinien im Prinzip ebenfalls erfasst würden.

Dies birgt unserer Auffassung völlig unübersehbare Probleme, die bisher nicht ausreichend analysiert worden sind.

Deshalb haben wir einen eigenen SPD-Antrag in den deutschen Bundestag eingebracht, in dem wir diese Konzessionsrichtlinie gezielt ablehnen. Während der Plenardebatte am 28. Februar 2013 haben wir nochmals klargestellt: Wasser ist ein lebensnotwendiges Gut; eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung muss daher Ziel guter Politik bleiben. Deswegen fordert die SPD, öffentliche Träger der Wasserversorgung wie Stadtwerke oder kommunale Zweckverbände aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Es gibt keinen Grund, gute und bezahlbare öffentliche Wasserversorgung dem Wettbewerb zu unterwerfen. Diesem Antrag haben alle drei Oppositionsparteien zugestimmt.

Sie finden die Debatte, die Anträge und die Abstimmungen hier: http://spd-link.de/wasser

Die Frage, warum die SPD den Rettungspaketen für die Krisenländer zugestimmt hat, habe ich hier auf Abgeordnetenwatch im vergangenen Jahr sehr oft beantwortet. Ausnahmsweise wiederhole ich hier nochmal, was ich auch damals schon schrieb, weil es immer noch aktuell ist:

Die SPD hat sich schon sehr zu Beginn der Krise für einen dauerhaften Rettungsschirm ausgesprochen, der Staaten davor schützen soll, von den Finanzmärkten erpresst zu werden. Aber EFSF, ESM, all die Rettungspakete sind nur Krisenmanagement. Im besten Fall gewinnen wir die Zeit, an einer echten Krisenlösung zu arbeiten. Genau um eine Diskussion über eine tragfähige Krisenlösung anzustoßen, habe ich im vergangenen Sommer mein Thesenpapier zur Banken-Regulierung veröffentlicht, das Sie auch auf spd.de finden.

Ich habe meine Entscheidung, für die Rettungsschirme zu stimmen, jeweils nach reiflicher Abwägung getroffen. Die europäische Krise hat längst Deutschland erreicht. Deshalb bin mir sicher: Nur wenn wir Europa stabilisieren, bleibt auch Deutschland stabil. Dazu habe ich im Dezember 2012 auch im Bundestag gesprochen. Lesen Sie meine Rede gerne nach: http://www.sigmar-gabriel.de/reden/rede-des-spd-vorsitzenden-zum-thema-europa-im-deutschen-bundestag

Bei der Einführung des Euro herrschte der Trugschluss vor, eine Währungsunion könne auch ohne politische und Fiskalunion funktionieren. Heute wissen wir, dass dies nicht geht.

Aus diesem Grund ist es zur Lösung der Krise essentiell, diese Fehler zu beheben. Wir in der SPD kämpfen deshalb für eine politische und soziale Union - für eine neue demokratische europäische Ordnung, in der die Menschen und ihre Interessen im Mittelpunkt stehen. Es wird Zeit, aus dem Elitenprojekt EU wieder ein gemeinsames Projekt der Menschen in Europa zu machen, bei dem wir die Bürgerinnen und Bürger wieder für Europa begeistern. Deshalb habe ich auch die Kanzlerin aufgefordert, eine neue europäische Grundordnung zu erarbeiten, über die das deutsche Volk abstimmen soll.

Die SPD ist bereit, sich für eine gute gemeinsame Lösung für Europa einzusetzen.

Ich hoffe Sie sehen: Wir haben Fehler gemacht, z.B. als wie die Leiharbeit dereguliert haben, und zu denen stehen wir auch, und wollen sie verändern. Aber einen "Unterschied zwischen den Reden und dem Handeln der SPD", wie Sie ihn mir unterstellen, muss ich glatt zurückweisen!

Ich werbe darum: Wagen Sie es, und wählen Sie die SPD! Oder noch besser: Machen Sie selber mit.

Das geht als Mitglied (das können Sie hier werden: http://www.spd.de/partei/Mitglied_werden/ ) oder auch als Nichtmitglied, zum Beispiel, wenn Sie sich im kommenden Bundestagswahlkampf einbringen wollen, auf unserem Portal https://www.mitmachen.spd.de/

Ich würde mich freuen, von Ihnen im Oktober eine Rückmeldung zu erhalten, ob Sie es gewagt und mitgemacht haben, und was Sie erlebten.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel