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Frage von Manfred S. •

Frage an Sigmar Gabriel von Manfred S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Gabriel,

ich habe im März d.J. einen Fernsehbericht gesehen, in dem Sie gegen den Armmutsbericht der Bundesregierung gewettert und ihn als Fälschung bezeichnet haben. Das mag vielleicht auch richtig sein!

Wie will Ihre Partei denn ein weiteres Auseinandertriften der Einkommen und Vermögen verhindern? Etwa dadurch, das Sie (m.W.) die Milderung oder sogar Abschaffung der kalten Progression verhindert?
Durch die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages, durch die nur äusserst geringe finanzielle Erleichterungen für den einzelnen Bürger erreicht werden, doch sicher nicht.
Was tut Ihre Partei, um Bürger mit geringen und mittleren Einkommen und Vermögen vor einem wirtschaftlichen Abstieg zu bewahren?
Die Gewerkschaften setzen zwar Lonsteigerungen für die Arbeitnehmer durch, die Steigerungen werden dann aber zum grossen Teil durch die Kalte Progression "aufgefressen".

Ergänzend verweise ich auf einen Artikel im FOCUS 21/13 Seite 15 unter der Überschrift "Die Hälfte vom Gehaltsplus geht an den Staat".

Mit freundlichen Grüssen

Manfred Seeger

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Seeger,

besten Dank für Ihre Frage.

Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten sind der Auffassung, dass der derzeit hohe Schuldenstand Deutschlands zu wenig Spielraum für dringend notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Soziales lässt - auch trotz der guten konjunkturellen Entwicklung und dem damit verbundenen Anstieg der Steuereinnahmen. Angesichts von Schuldenbremse einerseits und dem steigenden Investitionsbedarf zum Erhalt z.B. der Verkehrsinfrastruktur, für den Ausbau der Kinderbetreuung und für den ökologischen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft (Stichwort Energiewende) andererseits, können wir es nicht verantworten, dass Bund, Länder und Gemeinden auf Steuereinnahmen verzichten.

Vertreterinnen und Vertreter der schwarz-gelben Koalition werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass mit der geplanten Steuersenkung eine ungerechtfertigte Steuerbelastung durch die sogenannte „kalte Progression“ beseitigt werden würde. Betrachtet man aber die Lohnentwicklung seit 2005, so stellt man fest, dass die Nominallohnerhöhungen mit Ausnahme der Jahre 2008 und 2011 extrem niedrig waren (2009 gingen sie sogar nominal um 0,4 Prozent zurück) und es gleichzeitig starke Einkommensteuersenkungen durch die Steuerreform unter Finanzminister Hans Eichel gab. Ähnlich war es auch in der Zeit der Großen Koalition, in der der steuerliche Grundfreibetrag nochmals angehoben wurde und die steuerliche Absetzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erheblich verbessert wurde. Dadurch wurden die Wirkungen der kalten Progression bereits weitgehend beseitigt.
Die Sorge der schwarz-gelben Koalition um die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger haben daher vielmehr mit dem Termin der Bundestagswahl 2013 zu tun als mit der kalten Progression.

Auf der individuellen Ebene mag - wegen der hohen Steuerausfälle insgesamt - zuweilen der Eindruck entstehen, dass die schwarz-gelben Steuerpläne beim Einzelnen eine starke Entlastung zur Folge haben würde. Dem ist aber nicht so: Diese Steuersenkungen helfen gerade nicht den Niedrigverdienerinnen und -verdienern, wie es Schwarz-Gelb glauben machen will, denn 40 Prozent der Haushalte in Deutschland mit besonders niedrigem Einkommen bezahlen - durch unsere Reformen - gar keine Einkommenssteuer. Für sie bringen also diese schwarz-gelben Steuerpläne gar nichts. Stattdessen würden diejenigen am meisten profitieren, die mehr Geld haben und mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwohls beitragen können. Das ist nicht unser sozialdemokratisches Interesse.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten finden: Höhere Einkommen müssen mehr zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben beitragen als niedrigere!
Der Finanzausschuss des Bundesrates hat daher den Gesetzentwurf der Bundesregierung abgelehnt.
Wir schlagen stattdessen vor, den Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro bzw. 200.000 Euro für Verheiratete auf 49 Prozent anzuheben, um eine gerechtere Lastenverteilung zwischen Ärmeren und Reicheren zur erreichen.
Steuern sollen nach unserer sozialdemokratischen Ansicht auch dazu führen, soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen.
Eine Erhöhung des Grundfreibetrages lehnen wir hingegen nicht ab. Die Anpassung des Grundfreibetrages an das steuerlich zu verschonende Existenzminimum wäre verfassungsrechtlich spätestens im Jahr 2014 ohnehin erforderlich.

Übrigens: Auch eine Reihe von namhaften sozialdemokratischen Bürgermeistern hat sich gegen Steuersenkungen ausgesprochen, die auch die Kommunen hart treffen würden, weil sie dann noch weniger Geld für ihre Arbeit direkt vor Ort zur Verfügung hätten.

Sie sehen hoffentlich: Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten verstehen uns als Anwalt der Gering- und der durchschnittlich Verdienenden, die die Steuersenkung an anderer Stelle teuer bezahlen müssten.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel