Frage an Sigmar Gabriel von Volker U. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Gabriel,
Aus Ihrem heutigen Interview im Handelsblatt, darf ich Sie wie folgt zitieren: "Ich bin stolz auf den Mut der SPD, endlich das verrückte System von Arbeitslosenhilfe-und Sozialhilfe beendet zu haben, indem der Arbeitende schnell der Dumme war." Ich bin der Meinung, daß gerade durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe der Arbeitende erst zum Dummen gemacht wurde! Oder was antworten Sie einem Arbeitnehmer, der vielleicht nach über 30-jähriger sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit unverschuldet seinen Job verliert und nach 12 Monaten ALGI-Bezug auf Sozialhilfeniveau fällt, bzw. noch nicht einmal einen Anspruch darauf hat, da er erst sein angespartes Hab und Gut- bis auf lächerliches Schonvermögen-verwerten muß?
Lieber Genosse Volker Ultes,
vielen Dank für Deine kritischen Hinweise zur Zusammenlegung von Arbeitslosen-und Sozialhilfe.
Das System des Förderns und Forderns, das wir damals als einen Teilaspekt der Agenda 2010 durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe eingeführt haben, halte ich immer noch für richtig. Viele haben heute leider vergessen, wie absurd und ungerecht das damalige Doppelsystem von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war. Hunderttausende hatten nicht mal Ansprüche auf die Vermittlungshilfe der Arbeitsämter geschweige denn auf Förderung. Gerade für den von Dir zitierten Arbeitnehmer, der nach 30 Jahren Arbeit seinen Job verliert (und übrigens schon ab dem Alter von 50 Jahren Anspruch auf 15 Monate Arbeitslosengeld I hat; ab dem Alter von 58 dann auf 24 Monate) ist es doch eine Erleichterung, wenn er weiß, dass er ein Anrecht auf Weiterbildung durch die Agentur für Arbeit hat, um sich vielleicht auf neue Erfordernisse der Arbeitswelt einzustellen.
Die Fehler der Agenda habe ich nie verschwiegen: Die massive Öffnung der Leih- und Zeitarbeit, und auch die Tatsache, dass wir nicht alle in der Gesellschaft gleichermaßen belastet haben. Die Einführung einer Vermögenssteuer wäre damals schon richtig gewesen.
Gerade weil wir auch in Sorge sind, dass immer mehr Menschen von Existenzängsten geplagt sind, ist es uns heute so wichtig, existenzsichernde Löhne zu gewährleisten. Und existenzsichernde Löhne sorgen eben auch für eine existenzsichernde Rente! Somit: Wie Du auch in unserem Regierungsprogramm, das ich Dir habe zusenden lassen, lesen kannst: Der sozialen Spaltung in Deutschland entgegenzuwirken, sei es beim Wohnen, sei es bei der Gesundheit oder sei es beim Zugang zur Bildung, das ist unser edelstes Ziel.
Ich hoffe, da sind wir einer Meinung.
Vor Kurzem hatten wir ja bereits einen Briefwechsel und von meinem Mitarbeiter habe ich erfahren, dass Du auch schon lange mit ihm telefoniert hast. Nimm dies daher bitte als meine abschließende Bemerkungen zu Deiner Kritik.
Mit freundlichen Grüßen nach Otterberg
Sigmar Gabriel