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Frage von Juergen V. •

Frage an Sigmar Gabriel von Juergen V. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Gabriel,

die zehnjährige Umsetzung der Agenda 2010 wurde seitens der Fraktionen im Bundestag gewürdigt und zum hochgelobt. Da viele Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagerten sind viele Arbeitnehmer in Arbeitslosigkeit geraten und mussten erst ihre gesparten Rücklagen verbrauchen um überhaupt Leistungen nach den neuen Reformen zu bekommen. (Arbeitslosenhilfe, Reduzierung Bezugsdauer ALG I) Die Zeitarbeit mit sittenwidrigen Löhnen ist eingeführt worden. (Zur Belohnung wurde der Superminister Vorstandschef eines Zeitarbeitsunternehmen) Die Bezugsdauer des ALG I wurde reduziert. Jetzt nach 10 Jahren ist festzustellen, dass die Reichen immer reicher werden und die Perspektivlosigkeit unter Arbeitssuchenden stetig ansteigt, weil nur noch Minijobs, Zeitarbeit für sie überhaupt noch erreichbar sind und sie zum Amt müssen um "aufzustocken". Die Gewinne der Unternehmen sind gestiegen,Reallöhne stagnieren und die Kosten des Staates für Soziales sind gleichgeblieben. Die Steuerflucht in Steueroasen nahm trotzdem weiter zu.

Warum waren dann die Reformen notwendig? Warum wird die Agenda 2010 trotzdem als Erfolgsprojekt dargestellt wenn die Kosten des Staates für Soziales eher angestiegen sind? Ist der Staat dafür zuständig das die Konzerne ihre Ziele umsetzen können indem sie Personal reduzieren. Löhne drücken (Zeitarbeit, Minijobs) und Gewinne steigern?

Mit bestem Dank für die Beantwortung der Fragen

Mit freundlichen Grüßen

J.V.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Vans,

besten Dank für Ihre Frage.

Ich bin ganz und gar nicht Ihrer Meinung! Ich sage vielmehr: Wir können durchaus stolz auf die Agenda 2010 sein - wie auf vieles andere in der 150-jährigen Geschichte unsere Partei. Ich sage Ihnen auch gerne, warum: Die Agenda 2010 war das erste große Ganztagsschulprogramm in Deutschland, der Durchbruch bei den Erneuerbaren Energien, der Ausbau der Investitionen in Forschung und Entwicklung. Und die Agenda war auch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das ist, bei allem Streit, nach wie vor die richtige Entscheidung gewesen, die meisten haben heute nur vergessen, wie absurd und ungerecht das damalige Doppelsystem von Arbeitslosen- und Sozialhilfe war. Hunderttausende hatten nicht mal Ansprüche auf die Vermittlungshilfe der Arbeitsämter geschweige denn auf Förderung. Das hat vieles in Bewegung gebracht und Deutschland nach vorne.

Ich habe oft darauf hingewiesen, dass die Agenda 2010 eine große historische Leistung ist, von der wir heute profitieren: Gerhard Schröder hat mit seiner Politik dafür gesorgt, dass Deutschland Industriestandort geblieben ist. Während andere Länder dem Unsinn der New Economy hinterhergelaufen sind, hat er das produzierende Gewerbe verteidigt. Vor allem das ist der Grund, warum es uns heute so gut geht. Das hat wenig mit Frau Merkel und sehr viel mit Gerd Schröder zu tun. Deswegen können wir stolz auf unseren Ex-Kanzler sein.

Aber klar ist auch: Die Agenda 2010 ist das Projekt des vergangenen Jahrzehnts. Heute, mit den Erfahrungen und den Erkenntnissen, die wir seither gewonnen haben, sehen wir auch die Fehlentwicklungen ganz deutlich. Und über die Fehler der Agenda reden wir doch auch seit Jahren schon offen und ehrlich: Die massive Öffnung der Leih- und Zeitarbeit. Was als Chance für die Flexibilität der Unternehmen gedacht wurde, führte in großen Umfang zur Vernichtung fester Jobs und zu einem nie gekannten Niedriglohnsektor. Das muss dringend zurück gefahren werden, und das ist auch Teil unseres Regierungsprogramms für die kommende Bundestagswahl.

Und außerdem war es ein Fehler, dass im Effekt nicht alle in der Gesellschaft gleichermaßen belastet worden sind. Heute erleben wir eine massive Umverteilung von unten nach oben. Die normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Mittelstand und die kleinen Selbstständigen zahlen immer mehr für das Gemeinwohl und die, die nur von Kapital- und Vermögen oder gigantischen Erbschaften leben, immer weniger. Das muss wieder in eine faire Balance zurück. Und dazu haben wir klar in unserem Regierungsprogramm Position bezogen. Mehr Wir, und weniger Ich - das ist es, was wir erreichen wollen. Wir werden eine Politik für die Mehrheit der Menschen machen. Lesen Sie dazu gerne unsere Vorhaben in unserem Regierungsprogramm nach. Sie finden es hier: www.spd.de/95466/regierungsprogramm_2013_2017.html

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel