Portrait von Sigmar Gabriel
Sigmar Gabriel
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Sigmar Gabriel zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ralf M. •

Frage an Sigmar Gabriel von Ralf M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gabriel,

ich beziehe mich auf Ihre Aussagen bei Anne Will (letzte Sendung Thema Demokratie). Sie sagten, dass viele Bürger dieses Landes die Politik in Berlin als etwas Eigenes ansehen, dass mit uns Bürgern nichts mehr zu tun hat. Wenn Sie das erkannt haben, -warum unterstützen Sie dann weiterhin den Lobbyismus in Berlin und Brüssel, der einseitig die Rechte von Unternehmen wahrnimmt? Warum wehren Sie sich gegen ein System, in dem Politiker im Sinne ihrer Unabhängigkeit mehr verdienen, aber dafür keine anderen Einnahmen habe dürfen? Warum beteiligen Sie nicht das Volk an Entscheidungsfindungen und Gesetzesvorhaben in Form von Volksabstimmungen, denn das ist echte Demokratie? Warum werden wir als Volk nicht an der Präsidentenwahl beteiligt und warum wurden wir nicht zum EU Beitritt oder zur Einführung des Euro befragt, wie Bürger vieler anderer demokratischer Staaten? Was gedenken Sie für mehr Bürgernähe der Politiker zu tun? Finden Sie ein Wahlrecht, dass die Abgabe der Stimme zur Bundestagswahl alle vier Jahre vorsieht, noch zeitgemäß und vor allem demokratisch? Was sagen Sie dazu, dass wir Bürger fürchten, dass die große Poitik nichts mehr mit uns Kleinen zu tun hat, sondern das Globale (Banken, Finanzmärkte, Weltwirtschaft etc.) uns vollkommen außer Acht lässt? Warum haben immer mehr Menschen in unserem Land die Meinung, dass Politik ungerecht und unsozial ist, aber dafür immer mehr Reiche und Großunternehmen unterstützt? Ist das wirklich so und was gedenken Sie für mehr soziale Gerechtigkeit zu tun, damit der Bürger in der Zukunft überhaupt noch zu Wahlen geht? Ich bin gespannt auf Ihre Antworten.

Danke, Ralf Müller

Portrait von Sigmar Gabriel
Antwort von
SPD

Lieber Herr Müller,

ich freue mich über Ihre Frage. Denn ich sage das ja auch immer: Auch heutzutage geht es wieder darum „mehr Demokratie zu wagen“. Alle vier Jahre zwei Kreuzchen zu machen, ist nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft. Deshalb ist die Einführung von Volksabstimmungen auch auf Bundesebene längst überfällig. Das sage ich immer wieder in Interviews, und schreibe es auf meiner facebook-Seite.

Auch im Entwurf unseres Wahlprogramms steht es drin: "Wir wollen mehr Mitwirkungsrechte der Menschen bei der politischen Willensbildung. Dazu werden wir auf auch Bundesebene Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide einführen."

Ich wiederhole unseren Standpunkt gerne nochmal im Detail: Die SPD ist dafür, Volksentscheide auf Bundesebene möglich zu machen. Dafür bedarf es allerdings einer Grundgesetzänderung, die nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag zu erreichen ist. Bisher scheiterten entsprechende Initiativen der SPD (die schon seit den frühen 1990er-Jahren laufen!) am Widerstand von Schwarz-Gelb.

Im Jahr 2011 haben wir auf dem SPD-Parteitag in Berlin den Leitantrag „Mehr Demokratie leben“ beschlossen, weil wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger mehr mitentscheiden können. Sie finden ihn hier: http://www.spd.de/linkableblob/21830/data/beschluss_demokratie_lang.pdf Im vergangenen Sommer, während des Gipfels der Krise in Europa, habe ich übrigens die Kanzlerin aufgefordert, eine neue europäische Grundordnung zu erarbeiten, über die das deutsche Volk abstimmen soll.

Darüber hinaus wollen wir keine Raumschiff-Partei sein. Wir wollen mittendrin sein - im Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Nur so können wir gesellschaftliche Prozesse wahrnehmen und sich abzeichnende Probleme durch Lösungsvorschläge in Angriff nehmen. Die SPD muss eine Politikwerkstatt für gesellschaftlichen Fortschritt sein. Deshalb haben wir unter anderem den SPD-Bürgerdialog gemacht, der im September 2012 gestartet und im März 2013 beendet worden ist. Hier konnten Bürgerinnen und Bürger Vorschläge und Ideen zum Thema „Was muss in Deutschland besser werden?“ einreichen. Die Resonanz war riesig: Etwa 40 000 Vorschläge sind eingegangen. Auf einem Bürgerkonvent diskutieren dann 300 Bürgerinnen und Bürger darüber und bestimmten 11 Vorschläge, die direkt ins SPD-Wahlprogramm für die Bundestagswahl aufgenommen worden sind. Unseres Wissens hat das vor uns noch keine andere Partei gemacht.
Wenn Sie das interessiert: Weitere Informationen zum Bürgerdialog und Konvent finden Sie unter http://www.spd.de/buergerdialog/

Und die Frage, was denn eigentlich gerecht ist in dieser Gesellschaft, ist doch genau die wesentliche - es ist in gewisser Weise die Antriebsfeder, die seit der Gründung vor 150 Jahren die Geschichte der SPD besonders geprägt hat. Und wir machen daraus praktische Politik. Ganz aktuell zum Beispiel: Wir wollen die Subventionierung der Managergehälter durch den Staat stoppen. Lesen Sie hier: https://www.spd.de/aktuelles/93244/20130315_managergehaelter.html

Was wir in den nächsten Jahren vorhaben, finden Sie im Entwurf unseres Wahlprogramms, in dem auch die 11 Bürgerprojekte stehen: https://www.spd.de/linkableblob/92664/data/20130311_regierungsprogramm_2013.pdf Am 14. April wird unser Parteitag in Augsburg über dieses Programm abstimmen.

Ich freue mich, wenn auch Sie mit uns zusammen für ein gerechteres Deutschland und für den Regierungswechsel im September streiten.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel