Frage an Sigmar Gabriel von Patrick G. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Gabriel,
ich bin ein Mitarbeiter der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und sehr besorgt über die derzeitigen Reformpläne. Diese haben zahlreiche Unklarheiten und Wiedersprüchen zur Folge, von denen ich im Folgenden nur kurz die wesentlichsten aufzählen möchte:
- Die geplante Wasserstraßenkategorisierung führt dazu, dass Gelder für bereits seit Jahren laufende Maßnahmen gestoppt werden (Bsp. Mittelweserausbau). Hierdurch wird die Wasserstraße als sauberster Verkehrsträger zu einem Auslaufmodel.
- Es sind 2.000 Stelleneinsparungen mit zahlreichen Standortschließungen geplant. Aber angeblich soll dies ohne Kündigungen oder ungewollte Versetzungen geschehen. Wie?
- Qualifizierte Mitarbeiter mit Zeitverträgen dürfen seltenst übernommen werden und ziehen nach kürzester Zeit weiter, da sie in der WSV keine berufliche Zukunft sehen.
- Ein Tarifvertrag wird von den Beschäftigten der WSV als unbedingt erforderlich erachtet. Das BMI weigert sich allerdings in Verhandlung einzutreten.
- Der seit Jahrzehnten anhaltende Stellenabbau hat als Folge zu immer mehr Vergaben mit immer höheren Kosten geführt. Diese Vergaben binden sehr viel Zeit und Personal. Im Ergebnis ist die Qualität jedoch deutlich schlechter bei gleichzeitigem Kompetenzverlust.
- Die WSV hat dank ihrer qualifizierten Mitarbeiter Aufgaben in Eigenerledigung immer effizient durchgeführt und genießt aufgrund Ihrer dezentralen Struktur und Ortsnähe eine hohe Zufriedenheit bei Ihren Kunden. Dies ist zukünftig kaum mehr umsetzbar.
Die o.g. Punkte sowie teilweise wiedersprüchliche Informationen führen zu einer enormen Unsicherheit bei den Beschäftigten der WSV. Es entsteht der Eindruck einer Regierung die gegen ihre eigene Verwaltung arbeitet und die Realität steigender Folgekosten und sachliche Argumenten nicht wahr nimmt.
Wie stehen Sie und Ihre Partei zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und wie würden Sie mit den o.g. Punkten umgehen?
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Gebhards
Sehr geehrter Herr Gebhards,
für Ihre Mail zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung danke ich Ihnen.
Vorab das Wichtigste: Wir sind gegen die von der derzeitigen Bundesregierung initiierte ziemlich weitreichende Privatisierung der Wasserschifffahrtsverwaltung. Ganz vorwiegend kommt das aus den Reihen der FDP. Wir fordern deshalb die Bundesregierung und besonders den zuständigen Minister schon seit langem auf, dies zu stoppen. Das bedeutet nur einen Kahlschlag bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV).
Nun kommt es noch schlimmer: Ihre Pläne für den Umbau der WSV will die Regierungskoalition nun an Bundestag und Bundesrat vorbei per Organisationserlass durchsetzen. Damit verhindert sie gezielt jede parlamentarische Mitwirkung. Das tragen wir nicht mit. Die Bundesregierung muss endlich die offene Debatte über ein Zukunftskonzept für eine der wichtigsten Behörden in Deutschland zulassen. Doch Schwarz-Gelb schlägt alle Warnungen von Gewerkschaften, Verbänden und Wirtschaft hinsichtlich der negativen Folgen vor Ort in den Wind. Das alles deshalb, weil die Bundesregierung in den vergangenen Monaten vergeblich versucht hat, Länder und Verbände bei dem höchst umstrittenen Umbau der Behörde mit ins Boot zu holen. Die Länder und auch die Verbände haben zu recht heftige Kritik am Gesetzentwurf geübt, der die Zuständigkeiten der regionalen Direktionen auf eine neue Zentralbehörde mit Sitz in Bonn übertragen sollte. Jetzt, nachdem die Bundesregierung nicht mehr weiterkam, greift sie zum Trick des Organisationserlasses.
Die Regierungspläne würden die Entwicklung des Wasserstraßennetzes behindern, die Verkehrssicherheit gefährden und die Nutzung der Wasserwege verteuern, mal abgesehen vom Arbeitsplatzabbau und den Problemen für die Kolleginnen und Kollegen durch die Zentralisierung. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hannover soll offensichtlich ganz aufgegeben werden. Viele Ämter insbesondere in Ostdeutschland und in den Küstenregionen sollen zusammengefasst werden.
Der jetzt geplante Verwaltungsumbau im Wege eines Organisationserlasses wird zudem zu massiver Rechtsunsicherheit führen: Für Planfeststellungsverfahren sind bislang die Direktionen qua Gesetz zuständig. Sollte diese Zuordnung durch Erlass neu geordnet werden, könnten Planfeststellungsbeschlüsse aus rein formalen Gründen anfechtbar werden. Doch die Bundesregierung ignoriert alle rechtlichen Bedenken und gefährdet damit den gesamten Verkehrsträger Wasserstraße, den wir für den Güterverkehr, aber auch für den Tourismus benötigen.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel