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Frage von Cora von H. •

Frage an Sigmar Gabriel von Cora von H. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Gabriel,

sofort nach der Niedersachsenwahl haben Sie angekündigt, via des Bundesrates gegen das Betreuungsgeld anzugehen.
Ich wüsste sehr gerne welche stichhaltigen Argumente dagegen sprechen. Dabei bedenken Sie bitte, dass ich mangelde Finanzen nicht gelten lassen kann, denn gleichgültig welche Regierung, noch jeder wurde nach 1969 immer wieder Steuergelderverschwendung nachgewiesen, entweder vom Rechnungshof oder vom Bund der Steuerzahler.

Zudem finde ich, genau die Fanilie ist es, die die Kinder auf die Welt bringt und erzieht, um den Generationenvertrag im Hinblick auf die Rente zu erfüllen.
Offenbar hat man in der SPD etwas gegen Familien, denn das splitting will man ebenfalls angehen

mit freundlichen Grüssen

Cora von Haeften

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Haeften,

vielen Dank für Ihre Frage und Ihre Anmerkungen.

Die SPD steht für eine gerechte Familienpolitik. Das sehen Sie zum Beispiel daran, dass es uns neben dem Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagskitas auch um die gezielte Förderung durch das Kindergeld geht. Während der Millionär nicht weiß, wohin mit den 270 Euro, mit denen er für jedes Kind steuerlich entlastet wird, erhält die Mutter mit dem geringen Einkommen nur 184 Euro. Das ist nicht gerecht und sinnvoll. Deshalb ändert die SPD das mit dem Neuen Kindergeld, um verdeckter Armut bei Kindern entgegenzuwirken.
Mehr zum Kindergeld erfahren Sie hier: http://www.spd.de/aktuelles/Kindergeld

Gerne erläutere ich Ihnen, warum die SPD strikt gegen das Betreuungsgeld ist. Es gibt unterschiedliche individuelle Lebensentwürfe von Familien in Deutschland. Wir als SPD unterstützen Familien in der Wahl ihres Lebensentwurfes. Deshalb treten wir für echte Wahlfreiheit bei der Betreuung ihrer Kleinkinder ein.

Wenn Eltern ihr Kind in eine Betreuung geben müssen oder wollen, dann sollen sie es ohne schlechtes Gewissen und finanzielle Hürden tun können. Wenn Eltern entscheiden, dass ein Elternteil für die Betreuung des Kleinkinds zu Hause bleiben will, dann soll auch das möglich sein. Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten wollen, dass Eltern echte Wahlfreiheit haben. Doch das entspricht derzeit nicht der Realität in Deutschland, denn es mangelt an abertausenden Kita-Plätzen. Und wir wissen: Viele Eltern in Deutschland suchen verzweifelt nach einer guten Betreuung für ihr Kind. Sie wollen nach einer Familienpause zurück in ihren Beruf, der ihnen eine gute Lebensgrundlage bietet. Sie wollen, dass ihr Kind gemeinsam mit anderen Kindern früh spielend lernen kann und umfassend betreut wird. Weil es aber zu wenig Betreuungsplätze für Kleinkinder gibt, sind viele Eltern dazu gezwungen, dass ein Elternteil zu Hause die Vollzeitbetreuung des Kindes übernehmen muss. Gerade für Alleinerziehende ist das ein schwerwiegendes Problem: Sie tappen ungewollt in die Armutsfalle. Denn „keine Betreuung“ bedeutet für viele Alleinerziehende: Kein Arbeitsplatz.

In diesem Sommer erhalten Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Dafür müssen bis zum August noch etliche Plätze für Kinder unter 3 Jahren geschaffen werden. Der Staat kann sein Geld nur einmal ausgeben. Das Geld welches dafür benötigt wird, soll aber nun als Betreuungsgeld aufgewendet werden. Eltern sollen dazu bewegt werden, ihren Anspruch auf den Kitaplatz nicht wahr zu nehmen. Durch diesen unverfrorenen Trick drückt sich die Regierung vor der Verantwortung, die Plätze zu schaffen.

Für die SPD ist der Ausbau von Kindertagesplätzen von höchster Bedeutung. Wir können es uns nicht leisten, gut ausgebildete Männer und Frauen, die arbeiten wollen, zu Hause zu lassen, weil sie keine Betreuung für ihr Kind finden. Deshalb sprechen wir uns deutlich gegen das Betreuungsgeld aus. Das hat unsere Bundestagsfraktion auch im Antrag "Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld" (Drucksache 17/9572) deutlich gemacht. Die von der Bundesregierung beschlossene Einführung eines Betreuungsgelds für Eltern, die ihr Kind nicht in eine Kita schicken, trägt nicht dazu bei, die Lebenssituation von Familien in Deutschland zu verbessern.

Gegen das Betreuungsgeld bestehen überdies auch verfassungsrechtliche Bedenken, auf die verschiedene Juristinnen und Juristen hingewiesen haben. Das Gutachten von Prof. Dr. Joachim Wieland im Auftrag der SPD-Bundestagsfraktion nennt dafür verschiedene Gründe:
1. Das Betreuungsgeld schafft einen Anreiz für Eltern, ihr Kind nicht in eine öffentlich geförderte Kinderbetreuung zu geben. Damit verletzt das Betreuungsgeld das Gebot, dass – nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz – die Ausgestaltung der Kinderbetreuung Angelegenheit der Eltern ist und der Staat in diese Entscheidung nicht lenkend eingreifen darf.
2. Das Betreuungsgeld steht im Widerspruch zum Allgemeinen Gleichheitssatz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz). Familien, die ein staatliches Angebot wie Kitas nicht in Anspruch nehmen, dürfen nicht besser gestellt werden als Familien, die Kitas für ihre Kinder nutzen. Eine solche Regelung stellt unser gesamtes System der öffentlichen Infrastrukturfinanzierung auf den Kopf.
3. Und schließlich ist das Betreuungsgeld unvereinbar mit dem staatlichen Gleichstellungsgebot (Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz). Danach ist der Staat verpflichtet, mit positiven Maßnahmen die Gleichstellung von Frauen zu fördern – mit dem Betreuungsgeld tut die Bundesregierung das Gegenteil: Sie verfestigt traditionelle Rollenbilder.
Viele gewichtige Gründe sprechen gegen die Einführung des – auf Betreiben der CSU durchgepeitschten – Betreuungsgeldes.

Eine bessere Bildung für alle Kinder über gute Kitas und Schulen zu ermöglichen wäre der richtige Weg, nicht aber ein neues Bürokratiemonster! Die SPD wird sich deshalb weiterhin dem Betreuungsgeld entgegenstellen und sich für den weiteren Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel