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Frage von Erich H. •

Frage an Sigmar Gabriel von Erich H. bezüglich Wirtschaft

Werter Herr Gabriel,

in den letzten Jahren habe ich mir viele Filme in NTV und Phönix über das DRITTE REICH und die Nachkriegszeit angeschaut. Dazu die Schufterei vieler Frauen in den Ruinen.
Wie ist es möglich, dass ein Land, indem die Bürger so fleißig am Wiederaufbau teilgenommen haben, dieses Land so hoch verschuldet hat?
Dabei war Deutschland unter dem Kanzler Prof. Erhardt schuldenfrei und er konnte sogar noch Tonnen an Gold kaufen.
Dazu einige Daten aus dem Gesamthaushalt der BRD von 2011:
Zins - und Tilgung: 446, 773 Milliarden 1. Ausgaben und Einnahmen lfd. Nr. 3 und 50
Sind daran vielleicht die stark überzogenen Ansprüche der Politiker schuld?
Warum sind gerade SPD geführte Länder so stark verschuldet?
Weshalb wurden für Schulen und Kindergärten nur 3, 806 Milliarden ausgegeben? https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/FinanzenSteuern/OeffentlicheHaushalte/AusgabenEinnahmen/KassenergebnisOeffentlicherHaushalt2140200113244.pdf?__blob=publicationFile

Mit freundlichen Grüßen

E. Humplik

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Humplik,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Verschuldung der öffentlichen Haushalte, die ich gerne beantworte. Sie wollen wissen, warum Deutschland trotz wirtschaftlich starker Nachkriegsjahre heute so stark verschuldet ist.

Es ist hier nicht der Ort für eine wirtschaftshistorische Abhandlung, aber die geschichtlichen Umstände dennoch in Kürze: Die Bundesrepublik Deutschland war 1949 keineswegs schuldenfrei: Nach Anerkennung und Übernahme von Vorkriegsschulden des Deutschen Reiches (empfehlenswert ist hierzu der Monatsbericht 02.2003 des Bundesministeriums der Finanzen, der sich dem 50. Jahrestag des Londoner Abkommens widmet: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/Publikationen_Migration_vor_2005/17087_0.pdf?__blob=publicationFile&v=5 )beliefen sich die durch das Abkommen geregelten Auslandsschulden der Vor- und Nachkriegszeit auf insgesamt 14,5 Mrd. DM.

Anzumerken ist außerdem, dass Ludwig Erhard in seiner Zeit als Staatsminister für Handel und Gewerbe in der vom sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner geführten Bayerischen Staatsregierung von 1945 bis 1946 sicher hilfreiche Erfahrungen sammeln konnte. Im Übrigen war es nicht Ludwig Erhard, der "Tonnen an Gold gekauft" hat, sondern die Goldzuflüsse in den fünfziger Jahren ergaben sich im Wesentlichen aus der Überschussposition Deutschlands innerhalb der Europäischen Zahlungsunion (EZU), die die Bank deutscher Länder, die Vorgängerin der Bundesbank, aufgebaut hat.

Außerdem fragen Sie, "Warum […] gerade SPD geführte Länder so stark verschuldet“ seien. Stark verschuldet sind aber ausgerechnet SPD-geführte Länder bei genauem Hinsehen nicht: Wählt man eine Zeitpunkt-Betrachtung, so zeigt sich anhand der Pro-Kopf-Verschuldung der Bundesländer, dass z.B. Ende des Jahres 2011 die sozialdemokratisch geführten Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eine geringere Pro-Kopf-Verschuldung haben als das CDU-geführte Hessen.

In nicht wenigen Fällen ist es so, dass die SPD den Schuldenberg der CDU-Vorgängerregierungen nun abzutragen hat, jüngster Fall ist Niedersachsen, dessen Pro-Kopf-Verschuldung höher ist als die der oben genannten Länder Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Oder nehmen Sie das Saarland, das seit 1999 CDU-regiert ist und zu den hoch verschuldeten Ländern zählt, oder die Hansestadt Hamburg, deren Pro-Kopf-Verschuldung in der Regierungszeit der CDU rasant gestiegen ist und erst sinkt, seit die Stadt wieder von der SPD regiert wird. (Quelle: Statistisches Bundesamt: Schuldenstand der Länder und Gemeinden/Gemeindeverbände je Einwohner/-in nach Ländern, Stand 31.12.2011)

Ihre Frage, "weshalb [...] für Schulen und Kindergärten nur 3,806 Milliarden ausgegeben [wurden]“ ist insofern nicht zielführend, als eine Globalsumme als Bewertungsmaßstab für "ausreichend" oder "nicht ausreichend" nicht geeignet ist. Entscheidend ist, ob die Bedarfe der Bürgerinnen und Bürger zufriedenstellend gedeckt werden.

Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten sehen hier Handlungsbedarf; zu unseren Vorstellungen empfehle ich Ihnen einen Blick auf unsere Homepage www.spd.de .

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel