Frage an Sigmar Gabriel von Bernd S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Gabriel,
Ihrer Partei ( und nicht nur Ihrer ) ist durchaus bekannt daß an den vor 1989 in die Bundesrepublik übergesiedelten ehemaligen DDR-Bürgern eine bereits jahrzehnte andauernde Rentenungerechtigkeit verübt wird. Ihre Partei hat diesbezüglich schonmal einen Vorstoß unternommen , leider vergeblich. Würde die SPD im Falle einer Regierungsübernahme oder Regierungsbeteiligung diese Rentenungerechtigkeit - wenn nicht beseitigen - so doch zumindest mildernd korrigieren ?
freundlichen Gruß
Bernd Stichler
Sehr geehrter Herr Stichler,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Erwerbsbiografien von Übersiedlerinnen und Übersiedlern aus der DDR, die zum Zeitpunkt des Mauerfalls bereits in der Bundesrepublik gelebt haben, sind nach dem so genannten Fremdrentengesetz bewertet worden. Den Betroffenen wurde dabei eine fiktive westdeutsche Erwerbsbiografie zugeordnet, die sich an der ehemals ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der DDR orientierte. Nach 1990 wurden diejenigen, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, nach dem „Rentenüberleitungsgesetz“ behandelt.
Für viele – vor allem beruflich weniger Qualifizierte – hat dies zu deutlich geringeren Renten geführt. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher in einem Antrag gefordert, eine Ausnahmeregelung für Bestandsübersiedlerinnen und -übersiedler mit Wohnsitz in der Bundesrepublik vor dem Mauerfall zu schaffen, da die Betroffenen sich auf die Rechtsakte im Zuge ihrer rentenrechtlichen Zuordnung verlassen hätten. Zudem soll eine Vergleichsrechnung für jeden Betroffenen und jede Betroffene klären, welche Variante für ihn/sie günstiger wäre. Der Antrag wurde am 26.01.2012 im Bundestag von der schwarz-gelben Mehrheit abgelehnt.
Insgesamt geht es uns jetzt um ein einheitliches Rentenrecht in Deutschland. Mehr als 20 Jahre nach der deutschen Einheit werden Unterschiede im Rentenrecht in Deutschland nicht mehr akzeptiert. Es geht darum, eine Lösung zu erarbeiten, die die Interessen der Beitragszahler und Rentner in West und Ost gleichermaßen wahrt. Wir haben deshalb auf unserem zweiten SPD-Parteikonvent im November 2012 ein Rentenkonzept beschlossen, das die Grundlage für unsere künftige Alterssicherungspolitik sein wird.
Ein wichtiger Punkt des Konzepts ist die Angleichung der Renten in Ost und West. Wir werden in der kommenden Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West durchsetzen. Ab 2020 wird es bei der Rentenberechnung in Ost und West keine Unterschiede mehr geben. Damit wird der Aufwertungsfaktor für Löhne in Ostdeutschland abgeschafft. In einem ersten Schritt werden wir alle pauschal bewerteten Versicherungszeiten wie Kindererziehungszeiten und andere einheitlich berechnen.
Richtig ist aber auch: Mit der Überleitung der Altersversorgungssysteme der DDR in das Rentenrecht der Bundesrepublik Deutschland haben wir in den vergangenen Jahren einen gewaltigen Kraftakt zugunsten aller Rentnerinnen und Rentner in den neuen Ländern vorgenommen. Diese solidarische Anstrengung war aber gerechtfertigt, um die Lebensleistung der Menschen in den neuen Länder zu honorieren und ihnen nicht die Folgelasten des unzulänglichen Wirtschafts- und Sozialsystems aufzuerlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel