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Frage von Georg O. •

Frage an Sigmar Gabriel von Georg O. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Lieber Sigmar,

wie ich kürzlich in der FAZ lesen musste, forderst du ein höheres Gehalt für Bundeskanzler_innen ( http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/spd-vorsitzender-gabriel-bundeskanzler-verdienen-zu-wenig-11948556.html ). Dies alles, weil du es "nicht angemessen findest, dass der deutsche Bundeskanzler weniger verdient als der Direktor einer mittelgroßen Sparkasse.“ (siehe Link)

Weil ich weiß, dass du viel beschäftigt bist, versuche ich mich kurzzufassen und beginne mit einer Frage: Wenn für dich Bezüge von 200000 Euro p.a. und mehr, zuzüglich der umfassenden sozialen Sicherheit die ein solches Amt mitsich bringt (Rentenansprüche, Hinterbliebenenversorgung, etc.) "nicht angemessen" sind, wie "angemessen" sind für dich die Gehälter, die etwa an Krankenpflegepersonal, Busfahrer_innen, etc. ausgezahlt werden? Wie definierst du den Wert von Arbeit?

Die Verantwortung, die beispielsweise ein_e Schulbusfahrer_in tagtäglich wahrnimmt ist zwar nicht mit der Verantwortung eines/r Bundeskanzler_in zu vergleichen, mindestens aber genauso zu schätzen.

Ich bitte dich daher - als Vorsitzender der Partei, die sich soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat - deine Aussagen zu korrigieren oder konsequenterweise Jahresgehälter im sechsstelligen Bereich ebenfalls für alle diese Menschen zu fordern, die tagtäglich hart arbeiten und sich nach einem Burchteil der sozialen Sicherheit eines/r Kanzler_in sehnen würden.

sozialdemokratische Grüße,

Georg

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Antwort von
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Lieber Georg,

hab vielen Dank für deine Fragen.

Du hast ja völlig recht: Natürlich geht es in unserem Land nicht um Politikergehälter und schon gar nicht darum, sie zu erhöhen!

Wenn Peer Steinbrück und auch ich selbst im angesprochenen Interview mit der F.A.S. vom 04.11.2012 auf den Gehaltsunterschied zwischen der Bundeskanzlerin und den Sparkassendirektoren hingewiesen haben, dann um darauf hinzuweisen, welche Verantwortung Spitzenpolitiker tragen. Ich kann Dir versichern, dass es weder Peer noch mir jemals darum ging, ein höheres Gehalt für die Bundeskanzlerin oder ihren Nachfolger zu fordern.

Wirklich wichtig ist es, sich um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ganz "normalen" Menschen in Deutschland zu kümmern:

- um die jungen Menschen, die trotz guter Ausbildung oder Studium keinen festen Arbeitsplatz bekommen, sondern immer mehr in die schlecht bezahlte Leih- und Zeitarbeit abgedrängt werden;
- um die Frauen, die in Deutschland trotz gleicher Arbeit wie bei Männern fast ein Viertel geringere Löhne und Gehälter bekommen - anders als im Rest Europas;
- um junge Familien, bei denen Kinder zur Armutsfalle werden können, weil die Löhne und Gehälter zu niedrig sind und das Kindergeld nicht ausreicht;
- um Rentnerinnen und Rentner, die trotz eines langen Arbeitslebens von ihrer Rente nicht leben können;
- um diejenigen, die trotz Vollzeitstelle zum Sozialamt müssen, weil die Löhne nicht zum Leben reichen.

Dass es gerade im Gesundheitssektor oft Arbeitsverhältnisse gibt, die atypisch und prekär sind, ist eine traurige Wahrheit. Als Sozialdemokratinnen und -demokraten ist dies für uns nicht hinnehmbar und wir arbeiten daran, nicht nur über den Mindestlohn, die Arbeitsverhältnisse der Menschen in diesen Bereichen und darüber hinaus zu verbessern.

Um die Schere zwischen Arm und Reich wieder mehr zu schließen bedarf es vor allem guter Arbeit und einer angemessenen Lohn- und Gehaltsentwicklung. Und du weißt ja: Dazu haben wir Sozialdemokratinnen und -demokraten selbstkritisch Teile unserer Politik auf den Prüfstand gestellt. Wir müssen ehrlich sein: Einer der Fehler, die wir Sozialdemokratinnen und -demokraten gemacht haben, ist die verstärkte Einführung von Leiharbeit gewesen. Wir hatten bei der Entwicklung dieses Instruments zu rot-grüner Regierungszeit in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften angenommen, dass dieses Instrument zu mehr Einstellungen führt und Auftragsspitzen abfedern kann. Das hat sich leider als falsch herausgestellt. So ist es passiert, dass wir durch unsere Politik der Liberalisierung der Leih- und Zeitarbeit - unbeabsichtigt - dazu beigetragen haben, dass der Wert von Arbeit gesunken ist. Uns ist klar: Das war falsch, und das müssen wir wieder ändern. Alles andere wäre keine sozialdemokratische Politik.

Mit dem Wert von Arbeit haben wir uns in den letzten Jahren zum Glück sehr intensiv befasst. Auf dem Bundesparteitag im Dezember 2011 haben wir dazu den Leitantrag "Den Wert der Arbeit und die Lebensqualität im Alter erhöhen" beschlossen (http://www.spd.de/linkableblob/21860/data/beschluss_arbeit_alterssicherung_lang.pdf), den ich dir ans Herz legen möchte, falls du ihn noch nicht kennst. Hier sagen wir klar: "Arbeit muss gerecht bezahlt und existenzsichernd sein, sie sollte unbefristet und sozial versichert und auf einem hohen Niveau des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Betrieb organisiert sein." Die Wertschätzung von Arbeit drückt sich also sowohl durch den Lohn, als auch über die Arbeitsbedingungen aus.

Im Kampf gegen Armut, den wir uns für die nächsten Jahre auf die Fahnen geschrieben haben, ist für uns gute Arbeit, die zu gutem Lohn führt, der zentrale Dreh- und Angelpunkt: Wer arbeitet, der soll und der muss von seiner Arbeit in unserem Land auch leben können. Der braucht die Sicherheit, dass Anstrengung und Leistung wieder zu einem festen Arbeitsplatz und fairer Bezahlung führen. Deshalb wollen wir Sozialdemokratinnen und -demokraten den flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro, als unterste Lohngrenze für alle. Deshalb wollen wir wieder stärkere Tarifbindungen in Deutschland erreichen. Außerdem wollen wir das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" durchsetzen - sowohl für Leih- und Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer, wie auch bei der Bezahlung von Männern und Frauen.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel