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Frage von Philipp H. •

Frage an Sigmar Gabriel von Philipp H. bezüglich Wirtschaft

Lafontaine verfolge als Finanzminister in Europa eine Politik der leichten Kreditvergabe und des billigen Geldes. Über die Konjunkturförderpakete wurde über 10 Jahre lang in Spanien gefördert.
Nun stehen 800.000 neu gebaute Wohnungen in Spanien leer. In der Bauwirtschaft wurden Überkapazitäten geschaffen, die Menschen drohen arbeitslos zu werden.
Gleichzeitig verlor Spanien Schlüsselindustrien an asiatische Herausforderer.
Jetzt werden wieder Wachstumspakete gefordert.

Wenn die keynsianische Wirtschaftstheorie stimmt müsste doch in den Ländern mit dem meisten Schulden das größte Wachstum sein - oder?
Warum ist dann die Entwicklung in Spanien dann so negativ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hienstorfer,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema keynesianische Wirtschaftstheorie, Konjunkturpakete, und die Lage in Spanien, die ich gerne beantworte.

Ihre Vermutung, „die“ keynesianische Wirtschaftstheorie lasse sich auf die Gleichung reduzieren: hohe staatliche Verschuldung entspräche hohem wirtschaftlichen Wachstum, ist nicht zutreffend. Allein schon methodisch ist es nicht sinnvoll, denn bei der Höhe der Verschuldung handelt es sich um eine Bestandsgröße und bei wirtschaftlichem Wachstum um eine Veränderungsrate.

Darüber hinaus ist der Ansatz, aus einer hohen staatlichen Verschuldung auf ein hohes wirtschaftliches Wachstum zu schließen, mehr als gewagt. Eher umgekehrt wird ein Schuh daraus: je höher das wirtschaftliche Wachstum (einhergehend mit steigender Beschäftigung, steigenden Steuereinnahmen und sinkenden Sozialausgaben), desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass die öffentliche Verschuldung ansteigt. Oder auch: Je geringer das wirtschaftliche Wachstum (einhergehend mit sinkender Beschäftigung und Binnennachfrage und zunehmender Arbeitslosigkeit), desto größer die Wahrscheinlichkeit steigender öffentlicher Verschuldung (wegen sinkender Steuereinnahmen einerseits und steigender Ausgaben für soziale Sicherung andererseits)!

Für eine Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Spaniens ist dies hier nicht der Ort. Deshalb möchte ich nur kurz darauf verweisen, dass im Falle Spaniens der Zusammenbruch der Bauindustrie nach dem Platzen der Immobilienblase und dem Rückgang des privaten Konsums in Folge der Krise ein über 14 Jahre lang andauerndes, ununterbrochen starkes Wachstum beendet hat. Die öffentliche Schuldenstandquote war bis 2009 noch unter der Maastricht-Grenze, selbst 2010 nur leicht darüber. Die private Verschuldung, und auch die der Unternehmen, war dagegen der Hauptkrisenverursacher mit billigen Krediten (auch internationaler Geldgeber) und der Fokussierung auf den Wohnungsbausektor.

Es versteht sich von selbst, dass die Forderung nach Konjunkturpaketen nicht automatisch bedeutet, dass die damit verbundene Nachfrage auf einen Sektor gelenkt wird, der bereits Überkapazitäten hat.

Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel