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Frage von Birgit J. •

Frage an Sigmar Gabriel von Birgit J. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Gabriel,

Sie haben vor einigen Jahren in einer Talkshow sehr leidenschaftlich dafür plädiert, dass das Ehegattensplitting reformiert werden müsse. Sie haben damals auch keinen Sinn darin gesehen, dass für Besserverdienende dieser Steuervorteil gezahlt wird. Jetzt setzt sich die SPD dafür ein, dass homosexuelle Paare auch in den Genuss dieses Vorteils kommen sollen. Die erwarteten Steuerausfälle hierfür liegen bei 30 Millionen Euro. Bereits seit den 80 ziger Jahren gibt es Studien darüber, dass Alleinerziehende und Geschiedene mit Kindern steuerlich benachteiligt sind, die Politik aber nichts daran ändert, weil man auf diese Steuereinnahmen nicht verzichten will.
Ich möchte diese Schieflage an einem Beispiel deutlich machen
Ein/e Alleinerziehende/r Steuerklasse 2 mit einem Kind 14 Jahre, einem Jahreseinkommen von 60000€ und Steuerklasse 2 zahlt 13728€ Steuern. Für das Kind kommen noch einmal 2160€ in Form von Kindergeld hinzu.
Ein homosexuelles Ehepaar ohne Kinder (dieses Beispiel gilt auch für nicht gleichgeschlechtliche Ehepaare ohne Kinder) wo einer voll arbeitet und der zweite sich auf den Haushalt konzentriert und einen 400€ Job hat, zahlt nur 9305,10 € Steuern und hat noch das zusätzliche Einkommen von 4800€ was steuerfrei bleibt.
Unter dem Strich bleibt da ein ordentliches Plus. Je höher das Einkommen umso größer ist die Differenz.
Hierzu habe ich drei Fragen

Warum weichen Sie heute von ihrer damaligen Meinung ab und forcieren, dass diese Schieflage weiter ausgebaut wird?

Wäre es nicht richtiger das Steuersystem zu Gunsten von Menschen die Kinder erziehen anzupassen? Davon würden auch homosexuelle Paare profitieren, welche ein Kind erziehen.

Womit sollen diese Steuerausfälle kompensiert werden?

Mit freundlichen Grüßen
Birgit Jacob

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Jacob,

vielen Dank für Ihre Fragen betreffend Ehegattensplitting im Zusammenhang mit der Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften.

Meine Position in diesem Punkt hat sich in den vergangenen Jahren nicht verändert:
Wir Sozialdemokratinnen und -demokraten fordern seit langem eine Umgestaltung des Ehegattensplittings; diese Forderung hat auch auch auf dem letzten Parteitag im Dezember 2011 ihren Niederschlag gefunden, sowohl im Beschluss des Leitantrags "Familienland Deutschland" als auch im Beschluss "Fortschritt und Gerechtigkeit: Wirtschaftlicher Erfolg, solide Finanzen und sozialer Zusammenhalt".

Gleichzeitig setzen wir uns für die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein; dies umschließt natürlich auch den Bereich des geltenden Steuerrechts. Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich am Beispiel der Grunderwerbsteuer eine solche Gleichbehandlung eingefordert, auf der Grundlage des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist daher absehbar, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen auch die steuerrechtliche Gleichstellung im Einkommensteuerrecht wird herstellen müssen.

Selbstverständlich würde eine sofortige Gleichstellung im Einkommensteuerrecht auch das Ehegattensplitting für homosexuelle Paare ermöglichen. Eine Umgestaltung des Ehegattensplittings im Sinne unserer Beschlüsse (anstelle des Splittings eine Individualbesteuerung mit Berücksichtigung gegenseitiger Unterhaltverpflichtungen) würde für sie dann ebenfalls gelten.
Wir wollen aber, dass für zukünftig eingegangene Ehen/Partnerschaften kein Ehegattensplitting mehr möglich ist. Denn wir finden, wie ich auch hier auf Abgeordnetenwatch zum Beispiel Frau Richert-Huemer schon dargelegt habe, dass das Ehegattensplitting nicht mehr in die heutige Zeit passt. Es setzt den wie wir finden falschen Anreiz, dass ein Ehepartner auf eine Berufstätigkeit verzichtet.

Ich stimme mit Ihnen überein, dass in erster Linie Menschen mit Kindern gefördert werden sollten. Familienförderung über das Steuerrecht ist allerdings grundsätzlich problematisch, weil dadurch Besserverdienende stärker profitieren als Familien mit geringem Einkommen. Eine ausschließliche Fokussierung auf das Steuerrecht ist nicht ausreichend und bleibt ungerecht, denn Familien mit kleinen und mittleren Einkommen wie auch viele Alleinerziehende, die aufgrund ihres geringen Einkommens gar keine Steuern zahlen, gehen leer aus.

Deshalb denken wir Sozialdemokratinnen und -demokraten über das Steuerrecht hinaus. Wir wollen eine Individualbesteuerung mit einem fairen und gerechten Kindergeld koppeln. Jedes Kind soll unabhängig vom Einkommen der Eltern die Leistungen bekommen, die es braucht. Dazu gehören auch Betreuungsangebote, wie mehr und bessere Kitas und mehr Ganztagsschulen. Diese Kombination aus Individualbesteuerung und Kinderleistungen hat sich beispielsweise in Schweden bewährt.

Für eine Übergangszeit bis zur Reform des Splittings wäre im Falle der sofortigen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften tatsächlich mit Steuermindereinnahmen zu rechnen, die wir in unserem steuerpolitischen Gesamtkonzept jedoch berücksichtigt haben. Lesen Sie dazu auch unseren steuerpolitischen Beschluss vom vergangenen Parteitag: http://www.spd.de/linkableblob/21946/data/53_beschluss_wirtschaft_finanzen_lang.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Sigmar Gabriel