Frage an Sigmar Gabriel von Clemens G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Gabriel,
Ihre Kritik an den Banken (s. Handelsblatt – Online, 21.07.2012) ist zweifelsohne richtig, aber letztlich nicht mehr als ein Lippenbekenntnis, solange Sie und Ihre Partei als Opposition im Bundestag dem ESM keine Absage erteilen.
Mit dem ESM in der vorliegenden Form würde - mit tatsächlich für niemand absehbaren Folgen auch für den Frieden in Europa - auf bedrohlich undemokratische Weise von Brüsseler Bürokraten offenkundig und gezielt (u.a.) die tragende Säule für Stabilität des € endgültig gekippt, nämlich der Art. 125 Abs. 1 AEUV faktisch - ohne ordentliches Gesetzesänderungsverfahren - außer Kraft gesetzt. Bei solcher Vorgehensweise hat der Souverän, der Bürger als Wähler im Rechtsstaat mit seinem Votum für die Legitimation allen politischen Handelns auf der Grundlage der geltenden Gesetze, keinerlei Einflußmöglichkeit.
Diesem in jedem Fall undemokratischen, nicht rechtsstaatlichen Treiben könnten Sie wirksam entgegentreten, indem Sie (und die SPD-Fraktion im Bundestag) dem ESM nicht MEHR zustimmen, wozu Sie und Ihre Fraktion wie alle im Bundestag, insbesondere diejenigen, denen Recht und Gesetz und deren Einhaltung - auch soweit das betroffene Recht keinen „Verfassungsrang“ hat - in diesem Lande noch etwas bedeuten, auch verpflichtet wären, und zwar selbst dann, wenn der ESM grundsätzlich nicht verkehrt wäre, was er aber ist.
Die in der Sache allein entscheidende Frage an Sie ist also, werden Sie dem ESM unter den (nicht) gegebenen Voraussetzungen WEITERHIN zustimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Gutsche
Sehr geehrter Herr Gutsche,
vielen Dank für Ihre Frage. Entschuldigen Sie bitte die späte Antwort. Ich habe mich ja bereits verschiedentlich auch hier auf Abgeordnetenwatch oder auch auf meinem Facebook-Profil zum ESM geäußert.
Ich war sehr erleichtert, als im September das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bekanntgegeben hat. Auf facebook schrieb ich dazu: „Die Entscheidung aus Karlsruhe ist eine gute Nachricht für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland, deren Jobs vom Export abhängen. Nur wenn wir Europa stabilisieren, bleibt auch Deutschland stabil. Und genau dazu dient der ESM. Dass sich der Klage so viele Bürgerinnen und Bürger angeschlossen haben, zeigt: Den Menschen ist unser Gemeinwesen nicht gleichgültig, sie haben großes Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht. Das ist wichtig für die politische Kultur in Deutschland.“ Lesen Sie dazu auch den Artikel zum ESM-Urteil: http://www.spd.de/aktuelles/76056/20120912_esm_urteil_karlsruhe.html
Langfristig jedoch ist der ESM nicht ausreichend. Dies habe ich auch schon im Sommer deutlich gesagt, und die Kanzlerin aufgefordert, eine neue europäische Grundordnung zu erarbeiten, über die das deutsche Volk abstimmen soll.
Gerne empfehle ich Ihnen dazu den Artikel auf SPD.de: http://www.spd.de/aktuelles/73920/20120629_fuer_ein_buerger_statt_elitenprojekt_europa.html
Wir in der SPD kämpfen deshalb für eine politische und soziale Union – für eine neue demokratische europäische Ordnung, in der die Menschen und ihre Interessen im Mittelpunkt stehen. Europa muss wieder ein gemeinsames Projekt der Menschen in Europa werden!
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel