Frage an Sigmar Gabriel von Manuel K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Gabriel,
im ARD-Sommerinterview forderten Sie die Einführung von Eurobonds, mit denen sich die Mitgliedsstaaten - bis zum Ereichen der Maastricht-Kriterien - finanzieren können.
Dazu habe ich folgende Frage:
Ich kann nicht verstehen, warum Deutschland, das bisher nur relativ geringe Zinsen für seine Staatsanleihen zahlen muss, für Länder, die ihre Haushalte offensichtlich nicht in den Griff bekommen und nicht in der Lage sind, ihre Ausgaben an ihre Einnahmen anzupassen, zahlen muss und diesen Ländern einen Freifahrtschein ausstellt, so weiter zu machen, wie bisher. Mit den Eurobonds wird diesen Staaten aus meiner Sicht jeglicher Anreiz genommen, ihre Schulden in den Griff zu bekommen, wenn doch die Zinsen für ihre Staatsanleihen konstant auf relativ niedrigem Niveau - aus ihrer Sicht - bleiben.
Ich verstehe nicht, warum Deutschland, das schon einen riesigen Beitrag innerhalb des EU-Rettungsschirmes leistet, auch in der Zukunft dauerhaft für die schlechte Budgetplanung anderer Staaten aufkommen soll. Auch ein - bisher - noch sehr gut darstehender Staat wie Deutschland kann so eine Last auf Dauer nicht tragen. Wie soll der deutsche Staat, der selbst einen, wenn auch vergleichbar niedrigen - Schuldenberg vor sich her schiebt, bezahlen?
Sollte ein Staat, der seine Schulden nicht bezahlen kann, nicht in eine geordnete Insolvenz gehen und seine Schuldner, die teilweise darauf spekuliert haben, dass diese Länder gerettet werden, dafür bezahlen lassen?
Als Wähler werde ich mich zumindest heftig gegen solch einen Freifahrtschein für alle europäischen Staaten zum schlechten Wirtschaften wehren.
Ich freue mich auf eine Antwort von Ihnen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Manuel Kusznir
Sehr geehrter Herr Kusznir,
ich kann Ihren Unmut sehr gut verstehen. Um es deutlich zu sagen: Ja, es kann wütend machen zu sehen, dass der deutsche Steuerzahler mit dafür aufkommen soll, die Folgen schwerer Versäumnisse von Regierungen (Griechenland) und / oder die Folgen unverantwortlicher Spekulationen von Banken (Irland) zu bewältigen.
Die entscheidende Frage lautet aus meiner Sicht: Was ist die Alternative?
Deutschland hat in der Vergangenheit wie kein anderes Land der Euro-Zone von der Gemeinschaftswährung profitiert. Ein erheblicher Teil unseres Wohlstands und Tausende Arbeitsplätze sind abhängig von der deutschen Exportwirtschaft. Wir können uns deshalb ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone buchstäblich nicht leisten. Deshalb halte ich die Forderungen nach einem Ausschluss Griechenlands oder anderer Staaten aus der Euro-Zone für populistisch und gefährlich. Denn die Spekulanten würden dann den nächsten Staat ins Visier nehmen.
Die bisherige Politik der Bundesregierung, immer neue Rettungsschirme zu spannen, hat bislang ganz offensichtlich keinen Erfolg gebracht. Auch der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB hat nicht zu der gewünschten Beruhigung der Märkte geführt - obwohl natürlich mittelbar auch hier die Steuerzahler das Risiko tragen. Ein "weiter so" verbietet sich damit aus meiner Sicht.
Die SPD fordert schon seit langem ein ganzes Maßnahmenbündel, um die Euro-Krise endlich in den Griff zu bekommen. Dazu gehören die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine verstärkte Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik innerhalb der Euro-Zone. Teil einer Lösung muss sein, dass auf mehr Haushaltsdisziplin in einzelnen Euro-Staaten hingewirkt werde kann. Genau dazu können Eurobonds ein geeignetes Instrument sein - sie dürfen eben kein Freifahrtschein sein. Denn wer von Euro-Bonds profitieren will, muss sich einem strikten Stabilitätsregime unterwerfen und auch auf einen Teil der nationalen Souveränität - etwa beim Budgetrecht - verzichten.
Eine Finanzierung durch Eurobonds sollte für Mitgliedsstaaten der Eurozone nur bis zu einem gewissen Prozentsatz der eigenen Wirtschaftsleistung möglich sein. Werden darüber hinaus Schulden aufgenommen, muss jedes Land selbst für diese haften. So bleibt bei hoher Verschuldung die disziplinierende Wirkung durch Zinsaufschläge am freien Markt bestehen.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel