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Frage von Michael V. •

Frage an Sigmar Gabriel von Michael V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Gabriel,

Herr Professor Kirchhof schlug ein vereinfachtes Steuerrecht vor.

In „welt-online“ werden Sie hierzu so zitiert:

„Wer eine Krankenschwester den gleichen Steuersatz zahlen lassen will wie einen Chefarzt, will nicht das Steuersystem vereinfachen, sondern den Sozialstaat abschaffen“.

Hierzu habe ich ein paar Fragen an Sie:

Wie ich Herrn Kirchhof verstanden habe, zahlt die Krankenschwester nicht den gleichen Steuersatz. Der Freibetrag sorgt automatisch dafür, dass sie auf einem viel niedrigeren Prozentsatz im Verhältnis zu ihrem Gesamteinkommen landet als der Chefarzt.

Habe ich ihn da falsch verstanden bzw. was halten Sie daran für unsozial?

Wie viel Geld könnte ihrer Meinung nach durch ein vereinfachtes Steuerrecht gespart werden bzw. was kostet uns die momentane Komplexität an reinen Verwaltungskosten?

Bedeutet Gerechtigkeit im Steuerrecht Ihrer Ansicht nach auch notwendiger Weise hohe Komplexität?

Wie würde sich Ihrer Meinung nach die Schließung sämtlicher Steuerschlupflöcher auf die Steuerleistung eines real existierenden Chefarztes auswirken?

Mit freundlichen Grüßen
Michael Vöcking

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Vöcking,

nach den Vorstellungen von Herrn Kirchhof soll auf alle Einkommen ab 20.000 Euro ein Einheitssteuersatz von 25 Prozent erhoben werden. Ein Single mit 20000 Euro Einkommen muss nach diesem Modell 1750 Euro Einkommensteuer/Jahr bezahlten - heute bezahlt er 1726 Euro, also 24 Euro weniger. Wer aber 2 Millionen Euro versteuert, muss nach dem Kirchhof- 496.750 Euro Steuern zahlen - heute bezahlt er 880.796 Euro. Im Klartext: Kleinere Einkommen werden belastet, Spitzenverdiener massiv entlastet. Das halte ich in der Tat für unsozial.

Es ist es nicht zutreffend, dass "der Freibetrag automatisch dafür sorgt, dass die Krankenschwester auf einem viel niedrigeren Prozentsatz im Verhältnis zu ihrem Gesamteinkommen landet als der Chefarzt". Der Freibetrag - Grundfreibetrag plus "Vereinfachungspauschale" in Höhe von 10.000 Euro bei Kirchhof ist nur geringfügig höher als der heutige Freibetrag (von 8004 Euro plus Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 Euro plus evt. Sparerfreibetrag .). Ferner kommt dieser Freibetrag ALLEN Steuerzahlern in gleicher Weise zugute, also der Krankenschwester genauso wie dem Chefarzt.

Natürlich muss das Steuerrecht vereinfacht werden. Aber ich warne vor allzu großen Erwartungen. Das Steuerrecht versucht, der Lebenswirklichkeit der Menschen gerecht zu werden. Der eine braucht einen Dienstwagen, die andere arbeitet nachts. Der eine muss mit dem Auto lange Strecken zum Arbeitsplatz zurücklegen, die andere hat hohe Aufwendungen für ein Arbeitszimmer zu Hause. Wer alle Menschen unabhängig von ihrer beruflichen Situation über einen Kamm scheren will, macht das Steuerrecht vielleicht einfacher, vermutlich aber auch weniger gerecht.

In dem Zusammenhang erlauben Sie mir bitte den Hinweis, dass die vermutlich absurdeste Verkomplizierung unseres Steuersystems die von Union und FDP beschlossene Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers im so genannten Mövenpick-Gesetz war.

Auch müssen Steuerschlupflöcher geschlossen werden, darüber besteht vermutlich breiter Konsens. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das in allen Fällen zwingend zu einer Vereinfachung des Steuersystems führen würde.

Mit freundlichen Grüßen

Sigmar Gabriel