Frage an Sigmar Gabriel von Birgit M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gabriel,
Sie fordern einen Volksentscheid wegen der geplanten Verlängerung des Atomkraftenergiebetriebs in Deutschland!
Da kann ich ich Ihnen nur Recht geben. Eine solche Beteiligung der Bürger in diesem Lande zu den wichtigsten Themen wäre dringend, dringend erforderlich. Und die Bundesregierung würde kläglich scheitern mit ihrem Vorhaben, das (vermutlich) gegen die Mehrheit der Menschen steht!
Es ist sehr bedauerlich, dass nach unserer Verfassung auf Initiative der Bürger derzeit keine Volksentscheide auf Bundesebene möglich sind.
Meine Frage:
Welche Schritte sind erforderlich, um einen Volksentscheid auf Bundesebene zu wichtigen politischen Themen herbeizuführen?
Wie gedenkt die SPD - bei dieser Rechtslage - einen Volksentscheid zum Thema Amtomkraft auf den Weg zu bringen ?
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Mohr
Sehr geehrte Frau Mohr,
ich danke Ihnen für Ihre Fragen, die ich gerne beantworten möchte.
Sie haben Recht: Schwarz-Gelb spaltet mit der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke die Gesellschaft. Das habe ich auch in meiner Rede im Bundestag am 28. Oktober 2010 gesagt: http://www.youtube.com/watch?v=OL3nBZh2N08
Unsere Bundestagsfraktion hatte bereits 1993, im Anschluss an die Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem ein Volksentscheid auf Bundesebene ermöglicht werden sollte. Im Jahr 2002 hatten wir zusammen mit dem damaligen Koalitionspartner erneut einen Gesetzentwurf zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid eingebracht. Da es sich um eine Verfassungsänderung handeln würde, bedürfte es aber einer Mehrheit von zwei Dritteln in Bundestag und Bundesrat, die nicht zustande kommt, solange sich die CDU/CSU-Fraktion dagegen sperrt.
Im Jahr 2004 haben wir deshalb nochmals versucht, die CDU/CSU-Fraktion umzustimmen, was leider nicht gelungen ist. Wir haben das Vorhaben trotzdem nicht aufgegeben. Daher stand im Wahlmanifest der SPD zur Bundestagswahl 2005: „Wir brauchen mehr direkte Demokratie und damit den Volksentscheid.“ Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU konnte 2005 leider nur vereinbart werden: „Die Einführung von Elementen der direkten Demokratie werden wir prüfen.“ Die CDU/CSU-Fraktion hielt aber bis zuletzt an ihrer Auffassung fest, weshalb das Vorhaben in der vergangenen Wahlperiode erneut zum Scheitern verurteilt war.
Den Standpunkt der SPD haben wir nochmals im Hamburger Parteiprogramm von 2007 mit den Worten bekräftigt: „Der Verbindung von aktivierendem Staat und aktiver Zivilgesellschaft dient auch die direkte Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger durch Volksbegehren und Volksentscheide. In gesetzlich festzulegenden Grenzen sollen sie die parlamentarische Demokratie ergänzen, und zwar nicht nur in Gemeinden und Ländern, sondern auch im Bund.“
Das Regierungsprogramm der SPD zur Bundestagswahl 2009 enthielt die Aussage: "Direkte Demokratie. Wir wollen Volksbegehren und Volksentscheide auch auf Bundesebene ermöglichen und dabei die Erfahrungen in den Ländern berücksichtigen."
Leider sieht es weiterhin so aus, als ob Schwarz-Gelb die Meinung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht interessiert und sie keine Volksabstimmungen auf Bundesebene einführen wollen. Wir werden dieses Ziel auch als Opposition weiter verfolgen. Gerne auch mit Ihrer Unterstützung.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel