Frage an Sigmar Gabriel von Herbert S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gabriel,

mit Unverständnis habe ich das Agieren von SPD und Grünen im Laufe der Bundespräsidentenwahl verfolgt. Wieso haben Sie mit Joachim Gauck einen Kandidaten aufgestellt, dessen konservativ-neoliberale Positionen Begeisterungsstürme bei FDP, CDU/CSU und Bild, FAZ, Welt, Zeit etc. auslöst und der damit bewiesenermaßen gegen Null tendierende sozialdemokratische Einstellungen hat?

Warum ist es Ihnen so viel wert, Die Linke "demokratieunfähig" aussehen zu lassen? Die Linke hat ihre Demokratiefähigkeit mit ihrer Enthaltung zu Gauck und Wulff (auch das kein Novum der BP-Wahl-Geschichte) bewiesen, denn nur aufgrund einen Medienkampagne alle politischen Grundprinzipien über Bord zu werfen, wäre opportunistisch. Dass 30 Leute in Berlin „Pro-Gauck“ demonstrierten und die Facebook-Gruppe eines FDP-Mitglieds („Gauck als Bundespräsident“) über 30.000 Mitglieder hat, macht Gauck zu keinem „Bürgerpräsident“ und verpflichtet niemanden, FÜR ihn zu stimmen. Entspricht es Ihrem Demokratieverständnis, Anders-Denkende als demokratieunfähig zu bezeichnen?

Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass Sie den „Nachfolgern der Einheitspartei SED“ vorwerfen, nicht einheitlich für Ihren (!) Kandidaten gestimmt zu haben. Die Linke sagt unmissverständlich, dass die DDR eine Diktatur war. Warum beharrt die SPD auf dem Begriff „Unrechtsstaat“, der weder juristisch noch historisch definiert ist? Auch der Verweis auf die (vermeintliche) Stasi-Vergangenheit führender Linken-Politiker wirkt 21 Jahre nach der Wende sehr bemüht, wenn Ex-Kanzler Schröder das Ex-KGB-Mitglied Putin als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnet.

Laut offiziellen Parteiprogrammen haben SPD, Grüne und Linke die größten Schnittmengen, aber Sie scheinen die Ampel zu bevorzugen? Das ist natürlich wichtig zu wissen, denn die FDP hat ihren Ruf als regierungsunfähige Klientelpartei nicht ohne Grund. Ich freue mich auf Ihre Stellungnahme und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen