Frage an Sigmar Gabriel von Mona E. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Gabriel,
Wir sind drei Schülerinnen aus Baden Württemberg und möchten Ihnen gerne, für unsere Projektprüfung "Was denkt Deutschland zur Atomkraft?", ein paar Fragen stellen. Wir brauchen Ihre Meinung um die Ansichten der verschiedenen Parteien zu vergleichen und diese dann statistisch darzustellen. Ihre Antwort wird ausschließlich für unser Projekt verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.
Vielen Dank schon einmal im Voraus.
1.Was fällt Ihnen spontan zum Thema Atomkraft ein?
2.Wie hoch schätzen Sie das Risiko für Atomterrorismus?
3.Was halten Sie vom Thema Laufzeitverlängerung?
4.Wie lautet Ihre Meinung zur Endlagerung?
5.Was sind für Sie realistische Alternativen der Energieerzeugung?
6.Wie schätzen Sie die durchschnittliche Meinung des deutschen Bundesbürgers zum Thema Atomkraft ein?
7.Wann ist Ihrer Meinung nach mit einem Atomausstieg zu rechnen?
Mit freundlichen Grüßen
Mona Ehlert
Christin Bojkovsky
Sandra Langkabel
Liebe Mona, liebe Christin, liebe Sandra,
ich danke Euch für Eure Anfrage zum Thema "Atomkraft". Gerne möchte ich Eure Fragen beantworten:
1. Was fällt Ihnen spontan zum Thema Atomkraft ein?
Atomkraft ist keine Zukunftsenergie. Aktuell hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Laufzeitverlängerung beschlossen. Im Schnitt sollen 12 Jahre Laufzeit mit Vollauslastung genehmigt werden. Statt konsequent auf den Ausbau von Erneuerbaren Energien zu setzen und damit den Klimaschutz und den Industriestandort der Zukunft zu fördern, setzt sie ungeniert auf die Aufhebung des Atomkonsenses. Damit beamt die Kanzlerin Deutschland in eine Energiepolitik des letzten Jahrtausends zurück - das hat mit einer modernen zukunftsorientierter Energiepolitik nichts zu tun. Mindestens bis 2040 wird Deutschland nach den Plänen der FDP und Union im Atomzeitalter verharren. Für euch und sogar für eure Kinder bleiben radioaktive Müllberge zurück.
2. Wie hoch schätzen Sie das Risiko für Atomterrorismus?
Durch die gestiegene Terrorgefahr hat sich die Wahrscheinlichkeit eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein AKW deutlich erhöht. Eine Studie der Gesellschaft für Anlagen und Reaktorsicherheit (GRS) kommt zu dem Ergebnis, dass keines der deutschen AKW hundertprozentigen Schutz vor Terrorangriffen bietet. Die Betreiber haben bisher kein schlüssiges Sicherheitskonzept gegen Terrorangriffe aus der Luft vorgelegt. Eine Vernebelung der Anlagen allein ist nicht ausreichend, da sie nur für kurze Zeit möglich ist und mit moderner Navigationstechnik (GPS etc.) unterlaufen werden kann. Die Bundesregierung hat die Laufzeitverlängerung alter Schrottmeiler ohne Sicherheitsauflagen beschlossen, es sollen sogar die ältesten, gegen Terrorangriffe mit entführten Verkehrsflugzeugen ungeschützte Atommeiler weitere Jahre laufen dürfen. Hier werden die Sicherheitsbelange der Menschen in Deutschland verscherbelt.
3. Was halten Sie vom Thema Laufzeitverlängerung?
Wie schon gesagt, halte ich davon gar nichts. Laufzeitverlängerungen sind der größte Bremsklotz für die Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien. Durch die Manifestierung bestehender Strukturen wird ganz bewusst für weitere Jahrzehnte ein fairer Wettbewerb auf dem Strommarkt verhindert. Die großen Atomkraftwerksbetreiber wollen die Misere der Staatsfinanzen nutzen, um den geltenden Atomausstiegsvertrag zu brechen. Einen solchen Ablasshandel - Geld gegen Sicherheit und eine saubere Energieperspektive - darf es nicht geben. Die Bundesregierung nimmt mit diesem Vorgehen in Kauf, einen der härtesten gesellschaftlichen Konflikte der letzten Jahrzehnte wieder aufzubrechen. Denn Fakt ist, die Mehrheit der Bevölkerung ist für den vereinbarten Ausstieg aus der Atomenergie!
4. Wie lautet Ihre Meinung zur Endlagerung?
Die Endlagerfrage ist bisher weltweit ungelöst. Endlagerung wird niemals völlig sicher sein. Das zeigen massive Probleme im ehemaligen DDR-Atommüllendlager Morsleben und im Endlager-Forschungsbergwerk Asse II. Hochradioaktive Abfälle müssen für mehr als eine Million Jahre sicher von der Biosphäre abgeschirmt werden. Für einen so langen Zeitraum zu planen, ist allerdings unmöglich. Kein Mensch kann vorhersehen, was in den nächsten 10.000 Jahren passieren wird. Es muss eine ergebnisoffene und auf international anerkannten Auswahl- und Sicherheitskriterien basierende Endlager suche geben, um zumindest den "sichersten" Standort zu finden. Dies ist gängige Praxis in anderen Ländern.
5. Was sind für Sie realistische Alternativen der Energieerzeugung?
Unser Weg ist die Energiewende zu einer 100% Versorgung mit Energien. Leider wurde dieser Weg nun torpediert. Die Behauptung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen, dies sei das größte Programm in der Geschichte für Erneuerbare Energien, ist zynisch, denn Laufzeitverlängerungen sind der größte Bremsklotz für die Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien. Durch die Manifestierung bestehender Strukturen wird ganz bewusst für Jahrzehnte ein fairer Wettbewerb auf dem Strommarkt verhindert. Wenn alte abgeschriebene Atomkraftwerke in der Grundlast weiter Strom produzieren, ist kein Platz für den Ausbau Erneuerbarer Energien im Stromnetz. Und deswegen werden die Investitionen nicht kommen.
Die rot grüne Bundesregierung hat im Erneuerbare-Energien-Gesetz ( EEG) festgelegt, dass Strom aus Erneuerbaren Energien vorrangig in die Netze eingespeist wird und erst wenn dieser Strom den Bedarf nicht decken kann, kommt der Atomstrom zum Zuge. Dieser Einspeisevorrang der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in naher Zukunft bedroht, da deren Zuwachs mit Weiterbetrieb von Atomkraftwerken bald nicht mehr vereinbar ist. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) - ein wissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung - hat belegt, das Deutschland im Jahr 2050 zu hundert Prozent klimaschonend mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt werden kann.
6. Wie schätzen Sie die durchschnittliche Meinung des deutschen Bundesbürgers zum Thema Atomkraft ein?
Der überwiegende Teil der Bevölkerung lehnt eine Laufzeitverlängerung über den bestehenden Atomkonsens hinaus ab. Das sieht man bei den Reaktionen auf der Straße und in den Medien. Bereits im April ist eine 120 (!) Kilometer lange Menschenkette geglückt und am vergangenen Samstag protestierten wir gemeinsam mit Hunderttausend anderer Bürgerinnen und Bürger in Berlin gegen die Laufzeitverlängerung.
7. Wann ist Ihrer Meinung nach mit einem Atomausstieg zu rechnen?
Ich denke, dass es bei der bestehenden Ausstiegsvereinbarung bleiben muss. Die Bundesregierung will die beschlossene Laufzeitverlängerung am Bundesrat vorbei durchdrücken. Das ist verfassungswidrig. Die Gutachten des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten Papier (CSU) und anderer Rechtsexperten machen deutlich, dass der Bundesrat einer Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken zustimmen muss. Da Schwarz-Gelb dort die Mehrheit fehlt, soll der Bundesrat umgangen werden. Die SPD bereitet gegen diesen und andere mögliche verfassungswidrige Überlegungen von Schwarz-Gelb eine Klage vor.
Mehr könnt ihr in unserer Broschüre "70 Argumente gegen Atomenergie" auf http://www.spdfraktion.de/cnt/rs/rs_datei/0,,10770,00.pdf erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Sigmar Gabriel