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Frage von Bernd R. •

Frage an Sigmar Gabriel von Bernd R. bezüglich Finanzen

An den 1. Vorsitzenden der SPD

Sehr geehrter Herr Sigmar Gabriel,

Sie wissen es; und die neue Bundesregierung hat es bestätigt: Die Kassen sind leer.

Rentner werden in den nächsten Jahren Null-Runden erleben, die neue Regierung will Steuern senken.

¿Wie stehen Sie selbst (und was werden Sie den SPD-Bundestagsabgeordneten empfehlen) zur Diätenerhöhung und anderen geldwerten Vorteilen für das Jahr 2010?

Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichem Gruß -Bernd Renner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Renner,

ich danke Ihnen für Ihre E-Mail zum Thema Abgeordnetendiäten. Gerne möchte ich Ihnen ein bisschen ausführlicher antworten, wenn Sie mir das gestatten:

Es wurde und wird öffentlich über das Einkommen der Abgeordneten diskutiert. Das finde ich sehr gut. Transparenz hat noch niemandem geschadet und wer ein öffentliches Amt wahrnimmt, muss sich Fragen zum Beispiel nach seinem Einkommen gefallen lassen..

Abgeordnete haben nach Artikel 48 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz (GG) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ("Diät") und eine entsprechende Altersentschädigung (Ruhegeld), die der Besoldung folgt.

Die Bundestagsabgeordneten erhalten monatlich ein "Gehalt" von derzeit 7.668 Euro brutto. Diese Abgeordnetenentschädigung ist wie alle Einkommen (Lohne, Gehälter) zu versteuern. Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder ähnliches bekommen Abgeordnete nicht.

Das ist viel Geld. Die Abgeordneten verdienen damit mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Es wäre deshalb auch falsch, wenn sich Abgeordnete darüber beklagten, dass sie zu wenig verdienen. Natürlich sind diese 7.668 Euro weniger als das Monatsgehalt vieler Führungskräfte in der Wirtschaft, den Verbänden, den Gewerkschaften, und dazu muss man gar nicht auf die höchsten Hierarchiestufen schauen. Trotzdem: kein Abgeordneter leidet an Armut.

Niemand macht Politik - oder sollte Politik machen -, weil er oder sie Geld verdienen will. Auch ein gut verdienender Rechtsanwalt, eine Managerin, ein Unternehmer, ein hoch bezahlter Wissenschaftler oder eine gut verdienende Künstlerin kann in die Berufspolitik gehen. Das geschieht auch. Sie müssen aber wissen, dass sie ihr früheres Einkommen dabei meistens nicht wieder erreichen, sondern weniger verdienen werden. Das ist bei einem öffentlichen Amt auch zumutbar, soweit zum Beispiel die Abgeordnetenentschädigung nicht zu gering und angemessen ist.

Bei der Höhe der Abgeordnetenentschädigung ist vor allem die Frage zu beantworten, was angemessen ist. Was ist angemessen für einen Wahlkreisabgeordneten oder eine Wahlkreisabgeordnete, die die Interessen von ca. 250.000 Bürgerinnen und Bürgern vertreten? Was ist angemessen für jede und jeden der über 600 Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden oder nicht. Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Kranken- und Rentenversicherung, über die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik und darüber entscheiden, welche Steuern wir zahlen sollen.

Mein Eindruck ist, dass in der Öffentlichkeit die Höhe der Abgeordnetenentschädigung letztlich weit überwiegend akzeptiert wird - wenn auch natürlich nicht von allen.

Kritisiert wird vor allem, dass die Abgeordneten selbst über die Höhe von Entschädigung und Altersentschädigung entscheiden. Im Rahmen des geltenden Grundgesetzes ist es nicht möglich, die Entscheidung über die Höhe der Diät auf andere zu übertragen, obwohl auch viele Abgeordnete angesichts der meist kritischen Öffentlichkeit eine solche Übertragung der Entscheidung befürworten. Der Deutsche Bundestag muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes selbst über jede Erhöhung der Entschädigung vor den Augen der Öffentlichkeit durch Gesetz entscheiden. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung kann daher nicht auf eine unabhängige Expertenkommission übertragen oder durch eine automatische jährliche Anpassung in der Höhe der durchschnittlichen Steigerung der Löhne und Gehälter ersetzt werden.

Der Bundesgesetzgeber hat den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts bei der Verabschiedung des Abgeordnetengesetzes im Jahre 1977 Rechnung getragen, indem er als Orientierungsgröße für die Entschädigung der Abgeordneten die Bezüge solcher Amtsinhaber, die einer mit den Abgeordneten vergleichbaren Verantwortung und Belastung unterliegen, wählte. Als vergleichbar mit den Abgeordneten, die Wahlkreise mit 200 bis 300 Tausend Wahlberechtigten vertreten, wurden Bürgermeister kleiner Städte und von Gemeinden mit 50 bis 100 Tausend Einwohnern angesehen. Sie erhalten als kommunale Wahlbeamte auf Zeit eine Vergütung der Besoldungsgruppe B6. Als vergleichbar wurden auch die einfachen Richter bei einem obersten Gerichtshof des Bundes (Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht, etc.) angesehen, die bei der Ausübung ihres Amtes ähnlich wie Abgeordnete unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Sie erhalten eine Vergütung nach der Besoldungsgruppe R6.

Neben der Art und Weise, wie die Höhe der Diäten festgelegt wird, werden vor allem die Höhe des Altersversorgungsanspruches und die Steigerungssätze der Altersentschädigung kritisiert und dass das Modell der Altersversorgung von Abgeordneten weitgehend dem Vorbild der Beamtenversorgung folgt. Im Unterschied zu den Beamten, die meist ein ganzes Berufsleben lang für ihren jeweiligen Dienstherren (Gemeinde, Land, Bundesrepublik Deutschland) tätig sind, gehen Abgeordnete typischerweise vor und nach der Mandatszeit einer Erwerbstätigkeit nach. Anders als den Beamten, die im Alter auf eine Vollversorgung angewiesen sind, stehen ihnen meistens aus dieser Erwerbstätigkeit auch noch andere Versorgungsansprüche zu.

Diese Kritik wurde 2008 aufgegriffen und es wurden folgende Änderungen vorgenommen: Die Versorgungsregelungen sehen eine Abkehr von den bisherigen, sich an der Vollversorgung orientierenden Regelungen der Altersentschädigung in die Richtung einer lückenfüllenden Teilversorgung für die Mitgliedschaft im Parlament vor ("Baukastensystem"), die nur einen Teil des Berufslebens der Abgeordneten darstellt.

Der Höchstsatz der Altersentschädigung von nunmehr 67,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung wird jetzt erst nach 27 und nicht wie vorher nach 23 Mandatsjahren erreicht. (Den Höchstanspruch erwerben aber nur wenige Abgeordnete, da die meisten Abgeordneten dem Bundestag nur zwei bis drei Legislaturperioden angehören).

Ich habe mir erlaubt, Ihnen meine Auffassung etwas ausführlicher darzustellen. Über das Thema Diäten und Altersvorsorge machen sich zu Recht viele Menschen Gedanken. Ich habe Ihnen daher gerne meine Meinung dazu dargelegt und würde mich freuen, wenn Sie die Informationen überzeugt haben.

Lieber Herr Renner, eine Erhöhung ist für das Jahr 2010 nicht geplant. Dem würde ich auch ablehnend gegenüberstehen.

Mit freundlichen Grüßen

Sigmar Gabriel