Frage an Siegfried Schneider von Jonas E. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Hr. Schneider, als Kultusminister sind sie einer der Hauptverantwortlichen des ungleichen Bildungssystems.
meine frage:
können sie einem Studenten aus einer Arbeiter Familie in die Augen schauen und ihm versprechen:
" du hast die gleichen Chancen zu studieren wie dein reicher nachbar"?
Sehr geehrter Herr Engelhardt,
bereits der Wortlaut Ihrer Anfrage bestätigt den zentralen Anspruch des bayerischen Bildungssystems auf Chancengleichheit: Der von Ihnen zitierte "Student aus einer Arbeiterfamilie" hat seine entsprechenden Qualifikationen genutzt und die Chance eines Hochschulstudiums ergriffen (sonst wäre er ja kein "Student"). Bei entsprechender Leistung steht der Zugang zu weiterführenden Bildungsgängen jedem offen.
Art. 128 der Bayerischen Verfassung legt fest, dass es Aufgabe des Bildungssystems ist, jedem Einzelnen eine seinen erkennbaren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung zu ermöglichen. Diesem Auftrag fühle ich mich verpflichtet. Klares Ziel ist es, allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrem Wohnort sowie ihrer sozialen und muttersprachlichen Herkunft bestmögliche Förderung zuteil werden zu lassen.
Dass Bayern diesem Anspruch gerecht wird, zeigt der Vergleich der deutschen Länder im Rahmen der internationalen Schulleistungsstudie PISA 2003 (aktuelle Zahlen zum PISA Ländervergleich 2006 erscheinen erst Ende 2008): Während in Deutschland insgesamt der Bildungserfolg stärker an die soziale Herkunft gekoppelt ist als in anderen Staaten, besteht bei Schülern in Bayern erfreulicherweise eine relativ schwache Koppelung zwischen sozialer Herkunft und Leistungsniveau. Anders verhält es sich beim Besuch eines Gymnasiums. Allerdings weisen die Wissenschaftler im PISA-Ländervergleich auch darauf hin, dass sich viele Eltern in Bayern trotz vorhandener Eignung für das Gymnasium bewusst für den Realschulbesuch ihres Kindes entscheiden, weil sie von der Qualität dieser Schulart überzeugt sind.
Der Bildungserfolg des Einzelnen und die Bildungsgerechtigkeit des Schulsystems insgesamt sind aber nicht allein am Besuch des Gymnasiums festzumachen. Entscheidend ist, welche Aufstiegs- und späteren Anschlussmöglichkeiten für erfolgreiche Bildungskarrieren in einem Schulsystem bestehen und genützt werden können. Hier hat Bayern unter anderem mit dem bundesweit höchsten Anteil an Übergängen in die berufliche Ausbildung (duales System) und mit überdurchschnittlichen Übergangsquoten in die Hochschulen Erfolge vorzuweisen. Auch der Zugang zur Hochschulbildung über die beruflichen Schulen (schon jetzt werden über 40% der Hochschulreifen in Bayern nicht am Gymnasium erworben!) ist eine wichtige Säule des bayerischen Schulsystems: Nach den positiven Erfahrungen mit FOS 13 werden wir zum kommenden Schuljahr die Berufliche Oberschule, in der FOS und BOS zusammengeführt werden, einführen – als zweiten, gleichwertigen Weg zur Fachholschulreife, zur fachgebundenen Hochschulreife oder zur allgemeinen Hochschulreife. Ab dem Schuljahr 2008/2009 haben alle FOS und BOS die Möglichkeit, eine 13. Jahrgangsstufe zum Erwerb der Hochschulreife einzurichten.
Sehr geehrter Herr Engelhardt - Bildungsgerechtigkeit ist ein wichtiges Ziel von Bildungspolitik und damit auch meiner Arbeit. Trotzdem darf man die Einflussmöglichkeiten von Schule in diesem Bereich nicht überschätzen. Die große Bedeutung der Elternhäuser sowie des sozialen und kulturellen Umfeldes für Bildungserfolg und -misserfolg sind unbestreitbar; dies belegen auch die Befunde von PISA 2003.
Mit freundlichen Grüßen
Gez.: Siegfried Schneider, MdL