Frage an Siegfried Kühn von Jana S. bezüglich Soziale Sicherung
Was meinen Sie, wie das soziale Systeme in 10 Jahren aussehen wird? Die Lebenserwartung steigt, die Arbeitsplätze fallen mit der Digitalisierung nach und nach weg. Ergo wird es mehr Arbeitslose und auch Rentner geben. Thema Grundeinkommen: wie soll es ihrer Meinung nach finanziert werden?
Sehr geehrte Frau S.,
es ist sicher schwer zu sagen, wie unsere Sozialsystem in zehn Jahren tatsächlich aussehen könnten. Das ist fast schon ein Stück Prophetie.
Es verfestigt sich der Eindruck - auch bei mir - dass die Gesellschaft kaum noch in der Lage ist, aktuelle Probleme zu lösen, vielleicht auch nicht willens ist, dies wenigstens in Angriff zu nehmen. Es ist zu befürchten, dass die Gesellschaft in Vermögen und Einkommen immer weiter auseinanderdriftet. Nötig wäre dringend eine Korrektur, um die Auseinanderdriften wenigstens zu mindern. Dazu gehört z.B. eine Vermögenssteuer.
Ich glaube aber z.B. nicht, dass die sogenannte Digitalisierung immer mehr Arbeitslose bringen wird. Im Moment erleben wir das Gegenteil. Es fehlen Menschen, die bereit sind, mit ihrer Hände Arbeit Geld zu verdienen. Ich glaube kaum, dass der Koch, der Klempner usw. durch die Digitalisierung überflüssig werden. Im Grunde ist es ja so, dass die Digitalisierung eher eine Verlagerung der Arbeitsplätze bringt. Die Verkäuferin würde vielleicht durch Automaten ersetzt, die von Heerscharen von Programmierern programmiert und betreut werden. Und in diesem Fall,(sonst eher nicht) glaube ich auch, dass der Markt die im Moment noch unterdurchschnittlichen Einkommen regulieren wird. Man wird den Handwerkern die Füße küssen, wenn sie kommen. Das scheint mir ein sicherer Trend zu sein. Und überhaupt: Warum muss ein Ingenieur das doppelte verdienen wie ein Tischler? Gehen nicht beide nach getaner Arbeit müde nach Hause?
Ich gehöre zu den Grünen, die im Grundeinkommen keine Lösung für die Absicherung eines Mindesteinkommens sehen. Es konnte mir noch niemand glaubhaft erklären, wie dieses Grundeinkommen finanziert werden soll. Und überhaupt sehe ich das als ein Denkprodukt einer Überflussgesellschaft an. Wenn wir es uns leisten können, jedem vielleicht tausend Euro ohne Gegenleistung zu geben, dann sollten alle, die für unseren Reichtum arbeiten, auch einen Anteil daran haben. Das betrifft z.B. die Näherinnen in Bangladesch, die Teepflückerinnen in Indien oder die Minenarbeiter im Kongo, die unter menschenunwürdigen Bedingungen für einen Hungerlohn und mit bloßen Händen das Erz aus den Bergwerk kratzen, damit sich die Wohlhabenden in den Industriestaaten alle zwei Jahre das neueste Handy leisten können. In meinen Augen ist das Thema Grundeinkommen nicht bis zu Ende gedacht.
Nichtsdestoweniger ist die Frage heute mehr denn je offen, wie ein gerechter Lohn aussehen könnte. Auf jeden Fall ist es die Pflicht einer solidarischen Gesellschaft jedem - auch denen die aus verschiedensten Gründen es nicht selbst erarbeiten können - ein Mindestauskommen zu gewährleisten. Dafür gibt es viele andere Modelle neben dem Grundeinkommen. Es ist ganz sicher nicht Pflicht der Gesellschaft, jedem Rentner zu gewährleisten, dass er fünfmal im Jahr eine Kreuzfahrt buchen kann. Dabei geht auch die Schere bei den Renten weit auseinander. Unsere Nachbar muss sich mit seiner Rente genau überlegen, wie viele Biere er sich beim Dorffest leisten kann....
Ich mache erst mal Schluss, obgleich es dazu viel auszuführen gibt.
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Kühn