Frage an Sebastian Nerz von Margret S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Nerz,
ich habe mich gerade auf der Homepage der Initiative „Ich bin keine Fallpauschale“ informiert. Diese fordert für die Schwerst- und Spezialfälle an den Universitäts-Kinderkliniken umgehend eine faire und kostendeckende Vergütung, die sich am tatsächlichen Behandlungs- und Pflegeaufwand orientiert.
Denn an deutschen Universitäts-Kinderkliniken herrscht akuter finanzieller Notstand: Dort sammeln sich kostenintensive Schwerst- und Spezialfälle. Jedoch werden die entstehenden Kosten aufgrund der geltenden Fallpauschalenregelung oft nur zu einem Teil erstattet und müssen von den Kliniken mit getragen werden.
Die Folgen: Die Behandlung und Pflege kranker Kinder verschlechtert sich, da die Universitäts-Kinderkliniken dazu gezwungen sind, die entstehenden Millionendefizite durch Stellenabbau bei Ärzten und Pflegepersonal auszugleichen.
Ein erster Schritt sind der Versorgungszuschlag und die Analyse der Extremkostenfälle, die am 14. Juni 2013 im Bundestag beschlossen wurden. Jedoch reichen diese Maßnahmen bei Weitem nicht, um die an deutschen Universitäts-Kinderkliniken in den letzten Jahren entstandenen und entstehenden Defizite zu decken. So ist es mittlerweile leider die Regel, dass Pflege- und Arztpersonal über Eltern- und Fördervereine mitfinanziert werden.
Was benötigt wird, ist eine kostendeckende Finanzierung – umgehend. Damit auch in Zukunft alle Kinder gut versorgt werden können.
Die Erfahrungsberichte aus den Universitäts-Kinderkliniken haben mich sehr bewegt.
Was werden Sie tun, damit sich bei diesem wichtigen Thema in naher Zukunft etwas verändert?
Mit freundlichen Grüßen
Margret Schill
Sehr geehrte Frau Schill,
vielen Dank für die Frage und für die Nennung der Initiative. Ich kannte zwar die grundsätzliche Problematik, nicht aber diese konkrete Initiative. Gerne würde ich Ihre Anfrage auch an die gesundheitspolitischen Aktiven der Piratenpartei weiterleiten und würde Sie bitten, diese dann auch auf ihrer Webseite zu veröffentlichen. Die entsprechenden Fragen wurden ja auch an die Bundestagsparteien geschickt.
Ganz grundsätzlich halte ich das Prinzip der Fallpauschalen für falsch. Jeder Patient ist anders und hat es verdient, nach ihren oder seinen Bedürfnissen behandelt zu werden. Die Krankenhäuser wiederum sollten angemessen und nach ihrem tatsächlichen Aufwand bezahlt werden. Extremfälle zeigen, wie ungerecht und funktionsunfähig das System der Kostenpauschalen ist - aber auch in einfacheren Fällen funktioniert es nicht. Schon bei Standardeingriffen kann es zu Komplikationen kommen, die von den Fallpauschalen nicht abgedeckt werden. Wieso behalten wir sie dann also so weitgehend bei?
Bestellen Sie mal einen Möbeltransport und versuchen dort einen Fixpreis zu vereinbaren, unabhängig davon, ob Sie jetzt im Erdgeschoss oder im vierten Stock wohnen, was das Möbelstück wiegt und ob eine Parkverbotszone eingerichtet werden muss. Das Unternehmen wird dankend ablehnen - oder ihnen einen Maximalpreis abverlangen. Ja, mit der Abschaffung von Fallpauschalen wird wieder mehr Geld von den Krankenkassen an die Krankenhäuser fließen müssen. Das ist aber Geld, dass die Krankenhäuser tatsächlich verdienen und benötigen. Echte Mehrkosten entstehen dadurch kaum, da die Krankenhäuser ihre Kosten sonst anderweitig, beispielsweise durch Hilfsvereine, Telefongebühren oder Querfinanzierung aus anderen Behandlungen, decken müssen.
Bis zu einer solchen Abschaffung benötigen wir Sonderregelungen für Extremkostenfälle. Ich würde dabei allerdings eine weniger ausschließende Definition bevorzugen wie Sie. Die Initiative geht ja von Fällen aus, bei denen die Fallpauschale weniger als 50% der tatsächlich entstehenden Kosten deckt. Das ist zu eng. Schon bei 20% gelangen Krankenhäuser an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit - und entsprechend müssen wir schon da Sonderzahlungen ermöglichen.
Wie finanzieren wir das? Auf Dauer müssen wir anerkennen, dass die Trennung in private und gesetzliche Kassen nicht funktioniert. Wir benötigen ein System, in das alle Bürger einbezahlen. Wer möchte, kann sich darüber hinaus ja privat zusatzversichern und sich beispielsweise besondere Leistungen wie Homöopathie oder Einzelzimmer erstatten lassen. Auch durch weitere Begrenzungen der Medikamentepreise, von unnötigen Verwaltungsaufgaben, etc können wir Gelder einsparen. Es ist beispielsweise nicht einzusehen, dass Medikamente immer noch in Deutschland teilweise bedeutend mehr Kosten als in den Nachbarländern - und das obwohl sie teilweise in Deutschland hergestellt oder über Deutschland importiert werden.
Ich hoffe, dass ich damit beide Fragen der Initiative mitbeantwortet habe - eine Fallbezogene Kostenerstattung ist meiner Meinung nach die einzige langfristige und gerechte Lösung. Kurzfristig sind Ausnahmeregelungen zu schaffen, die bei pauschalen-übergreifenden Kosten einspringen und Kostenerstattungen durch die Krankenkassen oder einen staatlichen Fonds ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Nerz