Frage an Sascha Pitkamin von Jochen D. bezüglich Soziale Sicherung
1.) Wie beurteilen Sie die von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und den Politikern mit dem Gesundheits-Modernisierungs-Gesetz (GMG) 2004 sanktionierte Umwidmung von eigenfinanzierten Direktversicherungen (DV) in "betriebliche Versorgungsleistungen", die damit ohne Übergangsregelung nach Fälligkeit dem vollen Beitrag zur gesetzlichen Krankenkasse unterliegen?
2.) Wie beurteilen Sie die nachträglich verfügte und legalisierte "KK-Verbei-tragung" der DV-Kapitalleistung aus eigenfinanzierten Direktversicherungs-Verträgen?
3.) Wie läßt sich Ihrer Auffassung nach die o.a. Interpretation des GMG (KK-Verbeitragung von DV-Kapitalleistungen) mit elementaren Rechtsgrundsätzen wie Vertragsschutz, Bestandsschutz, Vertrauensschutz, Eigentumsrecht vereinbaren?
4.) Anerkennen Sie einen Unterschied zwischen betrieblich, d.h. vom Arbeitgeber gezahlten DV-Versicherungsbeiträgen und privat vom Arbeitnehmer aufgewendeten DV-Versicherungsbeiträgen?
5.) Welche Initiative planen Sie zur Korrektur des Unrechtes der "KK-Verbei-tragung" privat finanzierter (zur Vorsorge und nicht zur Versorgung!) DV-Versicherungen?
Jochen Drake
Sehr geehrter Herr Drake,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ihre Anfrage setzte umfangreiches juristisches und steuerrechtliches Fachwissen voraus. Leider übersteigt das meine Kompetenz, da dies nicht mein Fachgebiet ist. Ich habe Ihre Anfrage aber weitergeleitet und gehe davon aus, Ihnen in kürze Antwort geben zu können.
Mit herzlichen Grüßen
Sascha Pitkamin
Sehr geehrter Herr Drake,
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Seit November 2012 läuft eine rege Debatte darüber, wie Lebensversicherer mit der aktuellen Niedrigzinsphase umgehen sollen. Der von CDU und FDP vorgelegte Gesetzesentwurf räumt Versicherungsunternehmen das Recht ein, Ausschüttungen an die Versicherten in Niedrigzinsphasen zu mindern. Gegen dieses Vorgehen haben wir zuerst im Finanzausschuss des Bundestages und später im Vermittlungsausschuss Einspruch erhoben. Das Thema wurde daraufhin vertagt.
Tatsächlich kann es sein, dass die aktuelle Niedrigzinsphase zu einem Problem für einzelne Versicherungen werden könnte. Allerdings hat das Bundesfinanzministerium dargelegt, dass davon voraussichtlich nur wenige Versicherungsunternehmen betroffen sein würden. Ein branchenweiter Ansatz, der zu insgesamt weniger Ausschüttungen an Versicherte führt, ist daher abzulehnen.
Der Abschluss einer Lebensversicherung ist ein sehr spezieller Vertragsabschluss: In kaum einem anderen Fall verpflichten sich Kunden, jahrelang Gelder zu zahlen, ohne genau zu wissen, wie viel Geld sie am Ende zurück erhalten. Daher ist hier aus unserer Sicht ein besonderes Maß an Verbraucherschutz notwendig. Das Produkt Lebensversicherung bietet unbestreitbar auch große Zinsänderungsrisiken: Versicherer versprechen Garantiezinsen über die gesamte Laufzeit eines Vertrages. Sinken die Marktzinsen dann lange unter den Garantiezins, gerät der Versicherer in Probleme. In diesem Moment stellt sich die Frage, wer für diese Probleme aufkommen soll: Die Koalition reagiert, indem sie zusätzliche Ansprüche der Versicherten auf die Auszahlung von Bewertungsreserven reduziert. Wir halten das für den falschen Weg. In den letzten 10 Jahren war die Eigenkapitalrendite der Versicherungsaktiengesellschaften fast immer über 10 Prozent pro
Jahr. Die Rendite der Versicherten hingegen ist auf durchschnittlich 3,37 Prozent gesunken. In der Marktwirtschaft gilt eine Grundregel: Wer die Chancen hat, muss auch die Risiken tragen. Da die Eigentümer der Versicherungen jahrelang hohe Renditen erzielt haben, müssen sie nun auch in schweren Zeiten zur Verantwortung gezogen werden. Eine Politik, die sich das Geld ausschließlich beim Verbraucher holt, also dort, wo der Widerstand am geringsten und die Lobby am schwächsten ist, kann von der grünen Bundestagsfraktion nicht unterstützt werden.
Unsere Mindestforderung ist daher, auch die Ausschüttungen an die Eigentümer sowie die Zahlung von Vergütungen an Manager in den Versicherungen zu begrenzen. Das sorgt nicht nur heute für eine gerechtere Verteilung von Lasten, sondern ist auch ein langfristiges Signal: Wer heute mehr Zinsen verspricht, als er selbst durch Kapitalanlagen erwirtschaften kann, der muss später als Aktionär mit Verlusten und als Manager mit Gehaltsdeckelungen rechnen. Das hätte auch eine disziplinierende Funktion und würde sicherstellen, dass Versicherer zukünftig nicht weiter Garantieversprechungen machen, die sie nicht einhalten können. Zu einer Gegenleistung der Lebensversicherungsbranche gehört auch, dass sich bei den Abschlussprovisionen und laufenden Kosten, die von den Beiträgen der Versicherten abgehen, etwas tut. Niedrige Zinsen sind angesichts der derzeitigen Kapitalmarktsituation nämlich nur die eine Seite der Medaille. Di e andere Seite sind die durch die Versicherer angesetzten Provisionen und Kosten, die - je höher sie sind - dafür sorgen, dass die Versicherten am Ende weniger herausbekommen.
Nach alledem begrüßen wir, dass der Bundesrat in seiner Sitzung am 14.12.2012 das „SEPA-Begleitgesetz“ mit seiner geplanten Änderung der Versichertenbeteiligung an den Bewertungsreserven in den Vermittlungsausschuss verwiesen hat. Wir erwarten von der Bundesregierung nun eine Überarbeitung der Gesetzesänderung, die nicht allein zu Lasten der Versicherten geht, sondern gleichzeitig eine Gegenleistung der Lebensversicherungsbranche verlangt.
Mit freundlichen Grüßen
Sascha Pitkamin