Frage an Sarah Nehring von Dieter B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Kandidatin,
bitte kurz Stellung zu nehmen zu folgenden Fragen:
1. Bildungspolitik, insbes. zu "Bologna-Reform" und zur ödp-Stellung zum Diplom
2. Ausländerpolitik/Integration, Islamisierung Deutschlands
3. Verbleib, bzw. Aufnahme "Nicht-Demokratischer" Länder in der bzw. die EU (z.B. Tschechische Republik mit Weiterbestehen der Benesch Dekrete bzw. Türkei-Aufnahme )
4. Ihre persönliche Qualifizierung bei dem noch jugendlichen Lebensalter für das Politikerdasein
Mit besten Grüßen und gutem Erfolg für die ödp
Prof. (i.R.) Dr. Dieter Beschorner
Sehr geehrter Herr Prof. Beschorner,
gern gebe ich Ihnen Antwort auf Ihre Fragen.
1. Bildungspolitik, insbes. zu "Bologna-Reform" und zur ödp-Stellung zum Diplom
Vorab möchte ich anmerken, dass ich auch bei der ÖDP kandidiere, weil dort die Kandidaten mit eigener Stimme sprechen dürfen und keinesfalls einen parteipolitischen "Maulkorb" verpasst bekommen.
Da ich selbst nicht studiere, ist meine Meinung zu Ihrer Frage natürlich nicht auf eigener Erfahrung begründet.
Jedoch habe ich Kontakt zu etlichen Studierenden im Freundes- und Bekanntenkreis und auch Eindrücke meines Vaters von den Reaktionen in der Wirtschaft zu den Konsequenzen.
Meiner Meinung nach ist der Bologna-Prozess möglicherweise gut gemeint gewesen, aber für Deutschland und Studierende in Deutschland eher nachteilig. Wir haben mit unserem früheren Studiensystem durchaus ein international anerkanntes Niveau an Abschlüssen erreicht. Die Anpassung an eine europäische Einheitslösung stellt wohl eher einen Abstieg dar.
Nach Erfahrung meines Vaters, der als Personalberater tätig ist, schaffen die zweigeteilten Abschlüsse auch ein Zweiklassensystem bei den Absolventen. Viele seiner Klienten bevorzugen es, keine Magisterabsolventen einzustellen. Dieser Abschluss ist ihnen in vielen Fällen nicht anspruchsvoll genug.
Auch scheinen etliche Ihrer Professorenkollegen die "Reform" abzulehnen und haben geäußert, dass hier mehrere Jahrgänge an Absolventen "verheizt" worden seien.
2. Ausländerpolitik/Integration, Islamisierung Deutschlands
Obwohl ich glaube, dass Deutschland nicht daran vorbeikommen wird, Ausländer und Migranten zu integrieren, denke ich doch, dass wir auch unser "Wertesystem" als Grundlage sicherstellen sollten. Wer dauerhaft Bürger von Deutschland werden möchte, sollte - möglichst aus Überzeugung - gewissen Grundwerten zustimmen, die bei uns über Jahrhunderte gewachsen sind und unter Opfern erkämpf wurden. Dazu gehört z.B. die wirkliche Gleichberechtigung (und Chancengleichheit) von Mann und Frau.
Religionsfreiheit ist ein gutes Grundrecht. Aber die Freiheit des einen muss bei den Freiheiten des anderen aufhören. Und die Frage, in welchem Maße Eltern ihre Kinder nach ihren Vorstellungen "prägen" dürfen, muss auf alle Fälle gründlicher öffentlich diskutiert werden als bisher. Dass junge Frauen in manchen islamischen Familien nur eingeschränkte Freiheiten genießen und verheiratet werden, stimmt kaum mit der Freiheit der Persönlichkeit überein, die ein Grundprinzip unserer freiheitlichen Demokratien ist.
3. Verbleib, bzw. Aufnahme "Nicht-Demokratischer" Länder in der bzw. die EU (z.B. Tschechische Republik mit Weiterbestehen der Benesch Dekrete bzw. Türkei-Aufnahme)
Das ist eine Frage, die gewiss nicht in wenigen Sätzen zu beantworten ist. Für die beiden Beispiele, die Sie erwähnen, gelten ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Bei Tschechien glaube ich, dass die "Wunden" der Vergangenheit noch immer nicht verheilt sind. Da ist vielleicht noch mehr an Entwicklung notwendig.
Da die EU zumindest in Deutschland nicht auf der Grundlage einer Volksabstimmung begründet wurde, hat sie aus meiner Sicht schon einen entscheidenden Geburtsfehler. Ob das überhaupt noch korrigiert werden kann, halte ich leider für fraglich.
Die Aufnahme der Türkei in die EU hängt z.T. mit der Frage zusammen, wie wir zum Islam stehen. In vielen Staaten Europas hat die christliche Religion keine sonderliche Bedeutung mehr, der Islam dagegen umfaßt viele sehr aktive, z.T. leider auch aggressive Strömungen. Ich meine, dass viele Europäer sich zu wenig fragen, ob unsere Staaten dem gewachsen sind. Ich möchte jedenfalls nicht in einem Land leben, in dem womöglich die Scharia parallel zu unseren Vorstellungen praktiziert werden dürfte. Der Islam ist nur eine Frage, es gibt mit Sicherheit viele andere Wertvorstellungen, die problematisch sein könnten (z.B. Meinung zur Gentechnik, zum Stellenwert von Familie oder Freizügigkeit.)
Ob wir Länder in die EU aufnehmen sollten, die nicht wirklich mit ihrer demokratischen Praxis überzeugen können, möchte ich bezweifeln. Eigentlich sollten sich alle EU-Staaten nicht nur der Kontrolle der Staatsverschuldung, sondern auch der ständigen Betrachtung ihrer demokratischen Strukturen durch alle anderen (also auf Gegenseitigkeit) unterziehen. Nicht als Kontrolle, sondern als Ansporn zur Verbesserung.
4. Ihre persönliche Qualifizierung bei dem noch jugendlichen Lebensalter für das Politikerdasein
Nun, ein höheres Lebensalter wäre in vielen Punkten gewiss von Vorteil. Aber...
1. ist es ganz schön, noch jung zu sein,
2. wird man von ganz alleine älter (ohne es verhindern zu können) und...
3. kann Jugend auch ein Vorteil sein: Ich glaube, dass ich unverstellt mit offenem Blick auf die Fragen des Lebens und Alltags zugehe und mir vor allem eine eigene Meinung bilden möchte und diese auch gegen den Druck anderer (auch einer Partei) vertreten möchte. Ich sehe mich in erster Linie als Repräsentant der Menschen, die mich wählen werden. In der Politik wäre ein bißchen frischer Wind durch normale (und junge?) Menschen ganz gut!
Und was Sie als "Politikerdasein" bezeichnen, ist in meinen Augen sehr fragwürdig: Ich sehe heute in der Politik vor allem Parteisoldaten am Werk, deren Entscheidungen von anderen bestimmt werden. Dabei wissen wir Bürger nicht einmal von wem. Berufspolitiker sind Gift für jede Demokratie, davon bin ich überzeugt. Solch ein Amt sollte man nur auf Zeit ausüben dürfen und die Wähler sollten unbedingt das Recht haben, ihren Repräsentanten jederzeit wieder abzuberufen oder durch einen Vertreter zu ersetzen. NICHT durch die Partei, sondern durch die Wähler!
Die ÖDP tritt mit dem Anspruch an, nicht von Einflüssen anderer manipuliert zu werden. Dazu gehört vor allem auch, dass die ÖDP keine Spenden von Unternehmen annimmt. Ich finde das eine wirklich wichtige Voraussetzung, um halbwegs unabhängige Abgeordnete als VOLKS-Vertreter zu bekommen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Eindruck von meinen Überzeugungen vermitteln. Darf ich auf Ihre Stimme hoffen?
Vielen Dank für Ihre guten Wünsche!
Mit freundlichen Grüßen - Sarah Nehring