Sehr geehrte Frau Wagenknecht, wieso haben Sie an der Abstimmung zum Fortbestand der epidemischen Lage von nationaler Tragweite nicht teilgenommen?
Sehr geehrter Herr Stotz,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Bundestagsabstimmung am vergangenen Dienstag zur Verlängerung der epidemischen Notlage.
Die Fraktion DIE LINKE hat seit Beginn der Corona-Pandemie das Vorgehen der Bundesregierung bezüglich der Verhängung der epidemischen Notlage kritisiert. Es ist inakzeptabel, dass die Regierung seit über einem Jahr für gravierende Einschränkungen der Grundrechte eine Pauschalvollmacht erhält und damit Maßnahmen beschließen kann, ohne das Parlament an der Entscheidung zu beteiligen. Wir haben der Verhängung der epidemischen Notlage in der von der Bundesregierung vorgesehenen Weise aus diesen Gründen nie zugestimmt, so auch nicht bei der aktuellen Abstimmung: Die Linksfraktion hat am vergangenen Dienstag eine Verlängerung der epidemischen Notlage geschlossen abgelehnt. Dies hätte selbstverständlich auch ich gemacht - ich habe meine Kritik an der Corona-Politik der Bundesregierung immer deutlich öffentlich vertreten.
Dass ich leider persönlich nicht an der Bundestagsabstimmung zu diesem Tagesordnungspunkt teilnehmen konnte, lag daran, dass ich bereits seit langem eine öffentliche Veranstaltung in Weimar zugesagt hatte und Berlin deshalb früher verlassen musste. Die terminliche Überschneidung war sehr ungünstig, denn natürlich hätte ich sehr gerne meine Ablehnung der Corona-Politik der Bundesregierung auch mit meiner Stimmabgabe ausgedrückt. Aber leider kann eine solche Terminkollision vorkommen, da namentliche Abstimmungen meist sehr kurzfristig angesetzt werden. In diesem Fall war es sogar so, dass der gesamte Sitzungstag außer der Reihe in der sonst sitzungsfreien parlamentarischen Sommerpause stattgefunden hat, er wurde erst aufgrund der Hochwasserkatastrophe angesetzt. Dies alleine hätte noch zu keiner Terminkollision geführt, erst als die Tagesordnung des Sondersitzungstages dann sehr kurzfristig um die Punkte Afghanistan und die Verlängerung der epidemischen Notlage erweitert wurde, überschnitt sich die Debattenzeit mit der Veranstaltung. Es wäre für mich sehr schwierig gewesen, einfach nicht in Weimar zu erscheinen – denn auf mich warteten immerhin 700 Menschen. Ich habe mich deshalb entschieden, nicht an der Abstimmung teilzunehmen, um pünktlich bei der Veranstaltung in Weimar sein zu können. Diese Entscheidung war für mich vertretbar, weil aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und des nach wie vor bestehenden Rückhalts der Regierungsfraktionen für die Corona-Politik der Bundesregierung die Verlängerung der epidemischen Notlage auch bei meiner Anwesenheit beschlossen worden wäre.
Ich hoffe sehr, Sie können meine Beweggründe nun besser nachvollziehen. In jedem Fall ist es mir wichtig klarzustellen, dass ich sehr gerne an der Abstimmung teilgenommen hätte und selbstverständlich den Antrag zur Verlängerung der epidemischen Notlage abgelehnt hätte, so wie es die gesamte Fraktion DIE LINKE geschlossen getan hat.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht