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Sahra Wagenknecht
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Frage von Andreas J. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Andreas J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Werte Frau Wagenknecht,

ich möchte mich auf die Frage Jan Altmanns vom 15. Juni und Ihre Antwort vom 20. Juli beziehen.

Chávez äußerte sich nicht nur im Dezember antisemitisch, als er den "Nachfahren derer, die Christus kreuzigten" nachsagte, sie hätten "alle Reichtümer der Welt in wenigen Händen angehäuft". [1]

Im Juni 2006 warf er Israel vor, wie Hitler zu handeln und sprach von einem "Holocaust" in den Palästinensergebieten. [2]

Ahmadinejad nennt ihn einen Bruder und "Freund des iranischen Volkes" [3], Chávez sagt, dass er ewig mit dem Iran verbündet sein wird. [4]

Sie schreiben, Ihre Partei unterstützt u.a. Chávez´ Regierung. Wie stehen Sie bzw. Ihre Partei zu diesen antisemitischen Äußerungen und seinem Engagement für den Holocaustleugner Ahmadinejad?

Gestatten Sie mir noch eine Frage zu Guevara. Wieso bezeichnen Sie einen Massenmörder [4], der ohne zu Zögern die sowjetischen Atombomben eingesetzt hätte [5] als Humanisten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

[1] http://de.wikiquote.org/wiki/Hugo_Chávez
[2] http://news.bbc.co.uk/2/hi/americas/5258722.stm
[3] http://english.eluniversal.com/2006/07/31/en_pol_art_31A756133.shtml
[4] http://en.wikiquote.org/wiki/Hugo_Chávez#2006
[5] http://www.independent.org/newsroom/article.asp?id=1535
[6] Daily Worker, 1962

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Jürn,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.

Die Bekämpfung von Antisemitismus und Islamophobie wie auch jeder anderen Form von Rassismus ist Konsens in der LINKEN. Die Partei DIE LINKE ist eine konsequent antifaschistische und antirassistische Partei. Daher lehnt sie jedwede Äußerungen rassistischer Art, von wem auch immer sie ausgehen mag, vehement ab.

Schlimm ist nur, dass in diesen ganzen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez viel Unwahres in die Öffentlichkeit gebracht wird. Ich fände es gut, wenn Chávez wenigstens vollständig zitiert würde. In seiner Rede am 24. Dezember sagte er nämlich: "Die Welt hat genug für alle, aber einige Minderheiten, die Nachkommen derselben, die Christus kreuzigten, die Nachkommen derer, die Bolívar von hier vertrieben und ihn auf ihre Weise in Santa Marta in Kolumbien kreuzigten, diese Minderheit eignete sich die Reichtümer der Welt an." Zitiert wird leider allzu oft nur der erste Teil dieses Satzes, was dann dessen Sinn völlig entstellt. In einem Artikel von Harald Neuber in der Zeitung Junge Welt vom 20.01.2006 heißt es bezüglich der Chávez-Rede: "Im Kontext der Rede, die nicht ein einziges Mal auf Juden Bezug nimmt, wird nämlich deutlich, daß mit der »Minderheit«, die Chávez ansprach, eine reiche Oberschicht gemeint ist, die er weltweit mit »zehn Prozent der Bevölkerung« bezifferte. Bei weltweit 14 Millionen Juden und einer Weltbevölkerung von 6,5 Milliarden Menschen läßt sich der Vorwurf, er habe die Juden gemeint, also schon durch eine einfache Rechnung widerlegen."

Aber offensichtlich ist diese Methode des Verschweigens, Verkürzens und Verfälschens ganz bewusst gewählt, kann man doch so alternative soziale Entwicklungen in Misskredit bringen und den neoliberale Doktrin leichter durchsetzen. Daher ist es auch kein Wunder, dass vor allem neokonservative Meinungsmacher die absurden Antisemitismus-Vorwürfe immer wieder hervorholen, haben sie doch ein Interesse daran, dass der Kapitalismus so bleibt wie er ist. Jedenfalls hat der Präsident des Bundes der Israelitischen Vereine Venezuelas (CAIV), Freddy Pressner, gegen die Angriffe auf Hugo Chávez protestiert. Rückendeckung bekam der jüdische Dachverband Venezuelas vom Amerikanisch-Jüdischen Kongress und vom Amerikanisch-Jüdischen Komitee. So sagte David Twesky vom Amerikanisch-Jüdischen Komitee: "Unserer Meinung nach hat Chávez nicht bewusst über Juden gesprochen".
Insofern lassen sich die Antisemitismusvorwürfe der konservativen Seite mühelos entkräften.

Und zum Schluss noch einige Worte zu Ihrer letzten Bemerkung: Che Guevara steht in den Augen Millionen Kubanerinnen und Kubaner für die Befreiung von imperialer Ausbeutung und Unterdrückung durch amerikanische Großkonzerne und die US-Regierung. Che Guevara ist heute immer noch für zahlreiche Befreiungsbewegungen und für viele Menschen in Lateinamerika, im Nahen Osten und anderswo eine Symbolfigur für die Emanzipation von Fremdherrschaft und Unterdrückung und für Widerstand gegen Neoliberalismus und Kapitalismus. Dass Che Guevara damit zum Feinbild für einige wenige Mächtige wird, die ihren exorbitanten Reichtum sichern und noch weiter anhäufen wollen, ist erklärbar, macht mir aber den Revolutionär Che und seine Ideale um so sympathischer.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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