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Sahra Wagenknecht
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Frage von Manuel B. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Manuel B. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

in dem Bundestagswahlprogramm von 2017 fordert die Linke folgendes.
"Wir wollen, dass Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent besteuert werden. Die erste Million ist davon freige-stellt. Betriebsnotwendiges Vermögen kann bis fünf Millionen freigestellt werden."

Wie soll das in der Realität ablaufen? Muss eine Person, die beispielsweise fünf Immobilien besitzt diese verkaufen, um die Vermögensteuer zu bezahlen? Müssen bei einem Betriebsvermögen von mehr als fünf Millionen Euro Teile des Unternehmens verkauft werden, wenn es sonst nicht zu finanzieren ist?
https://www.die-linke.de/themen/umverteilen/

Danke im Voraus!

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr Baumann,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.

Vorab kurz zum Hintergrund: Die Ungleichheit in der Vermögensverteilung ist in den letzten Jahrzehnten in vielen entwickelten Ländern angestiegen. In Deutschland besitzt die eine Hälfte der Bevölkerung statistisch so gut wie kein Vermögen. Dagegen besitzen die reichsten 10 Prozent fast 60 Prozent des gesamten Vermögens. Beim Immobilienvermögen sieht es genauso aus. Und beim Betriebsvermögen ist die Konzentration des Vermögens noch drastischer. Es konzentriert sich praktisch bei den reichsten 10 Prozent. Und innerhalb der reichsten 10 Prozent konzentriert es sich noch einmal beim reichsten ein Prozent (vgl. DIW-Wochenbericht 40/2019, S. 735-745).

Die Corona-Krise hat diese Entwicklung weiter verschärft. Während Arbeitnehmer durch Jobverlust und Kurzarbeit sowie Solo-Selbständige und kleine Unternehmen zum Teil erhebliche Einkommenseinbußen zu verzeichnen hatten, wuchs das Vermögen der Superreichen in der Krise, insbesondere durch weiter steigende Immobilienpreise und Aktienkurse, rasant weiter. Die rund 119 Milliardäre Deutschlands haben allein zwischen März und Oktober letzten Jahres ihr Vermögen um weitere 100 Milliarden steigern können (vgl. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/milliardaere-corona-101.html).

Zu Ihren konkreten Fragen: Die Ausgestaltung der Vermögenssteuer von DIE LINKE, auf die sich beziehen, ist inzwischen über 10 Jahre alt. Wir wollen mit der Vermögenssteuer das reichste ein Prozent besteuern und keine Familien in ihrer selbstgenutzten Immobilie. Da die Immobilienpreise in den letzten 10 Jahren sehr stark gestiegen sind, müsste insbesondere die Freigrenze von einer Million für Privatvermögen eigentlich angepasst werden. Ich finde eine Anpassung richtig und sie wird aktuell auch in der Partei diskutiert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat für die Linksfraktion errechnet, dass bei einer Freigrenze von zwei Millionen auf das private Nettovermögen und fünf Millionen auf das Betriebsvermögen nur noch die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung von einer Vermögenssteuer bzw. -abgabe betroffen wäre. Besteuert würde somit lediglich das Vermögen oberhalb der Schwelle von zwei Millionen. Eine Ausgestaltung in dieser Richtung erscheint sinnvoll, damit die Vermögenssteuer lediglich Multimillionäre und Milliardäre belastet.

Eine Besteuerung der Substanz, wie von Ihnen in der Frage angedeutet, erscheint unwahrscheinlich, denn wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Renditen für Vermögensanlagen, insbesondere von Immobilien und Betriebsvermögen, im langfristigen Durchschnitt über fünf Prozent liegen. Beispielsweise bei Betriebsvermögen seit 1950 im Durchschnitt bei 8,2 und bei Immobilien 7,5 Prozent (vgl. Jorda/Knoll/Kuvshinov/Schulraick/Taylor, The Quarterly Journal of Economics 2019, S. 1225-1298).

Besitzt jemand ausschließlich fünf Immobilien, wie in ihrem genannten Beispiel, zu einem Durchschnittswert von 800.000 Euro je Immobilie und hat somit ein Gesamtnettovermögen von vier Millionen, dann müsste er nach der aktuell von DIE LINKE geforderten Vermögenssteuer auf drei Millionen fünf Prozent pro Jahr zahlen. Das wären 15.000 Euro pro Jahr. Auf das gesamte Vermögen bezogen ergibt sich eine Steuerbelastung von 3,75 Prozent. Selbst ohne eine sinnvolle Anpassung der Freigrenze wäre die jährliche Steuerbelastung damit nur halb so groß wie die durchschnittliche langfristige Rendite auf Immobilienanlagen. Beim Betriebsvermögen ist die Differenz selbst bei einem Vermögen von 10 Millionen noch größer. Nach Abzug der Freigrenze von fünf Millionen ergibt sich eine jährliche Vermögenssteuer von 25.000 Euro, die auf das Gesamtvermögen einer Belastung von 2,5 Prozent entspricht. Dies wäre weniger als ein Drittel der durchschnittlichen langfristigen Rendite auf Betriebsvermögen. Aber ich bin dafür, dass selbst für die Ausnahmefälle, wenn einzelne Betriebe nachweislich aufgrund von Liquiditätsengpässen die Steuer nicht zahlen können, verbindliche Regelungen geprüft werden sollten, um z.B. durch staatliche Überbrückungshilfen eine Zwangsveräußerung von Unternehmensteilen auszuschließen.

Die Corona-Krise hat uns noch einmal deutlich vor Auge geführt hat, dass wir unsere Gesellschaft dringend fit für die Zukunft machen müssen. Dazu sind aber nicht nur erhebliche Investitionen notwendig, sondern auch u.a. mehr Pfleger in den Krankenhäusern und Altenheimen, mehr Personal in den Gesundheitsämtern, mehr Lehrer und Erzieher in den Schulen und Kitas. Das erfordert jährlich und langfristig höhere Ausgaben, die durch regelmäßige Einnahmen gedeckt werden müssen. Dafür benötigen wir unter anderem auch eine Vermögenssteuer für Multimillionäre und Milliardäre, denn ansonsten besteht die riesige Gefahr, dass für die zusätzlichen Schulden am Ende wieder Arbeitnehmer und Rentner durch höhere Lohn- oder Verbrauchssteuern belastet werden.

Ich hoffe Ihre Frage damit beantwortet zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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