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Sahra Wagenknecht
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Frage von Peter K. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

wir alle wissen, wie sehr Lobby-Arbeit von Interessensgruppen Politik beeinflussen kann.
Häufig wird solche Arbeit "im Verborgenen" getan. Während der einfache Bürger Zugang zur Information über den Hintergrund eines Abgeordneten hat, ist über die Vektoren der Lobbyisten oder die Einflüsse, denen die Abgeordneten ausgesetzt sind, in den wenigsten Fällen etwas bekannt.

Der genannte einfache Bürger kann also deshalb sich weder ein Bild machen, welchen Einflüssen ein Abgeordneter ausgesetzt ist, noch hat er eine Möglichkeit - aus genau diesem Grund - sich dazu zu äußern.

Ist es nicht wichtig aber auch nötig, ein Instrument zu schaffen, durch das z.B. offengelegt wird, welcher Abgeordnete von welchen Interessensgruppen oder vertretern der Wirtschaft wie häufig aufgesucht wird? Der Gedanke mag naiv sein, ich könnte mir jedoch vorstellen, daß es deutlich zum Mitmachen "an" der Politik anregt, wenn man wirklich weiß, mit wem man es zu tun hat.

Vielleicht ändert Klarheit und Wahrheit an dieser Stelle - analog zum Aufdecken der Abgeordneten-Nebenbeschäftigungen - ja auch die Richtung, in der Politik für jeden gemacht wird. Vielleicht können wir historisch gewachsene Entwicklungen wie z.B. in den USA (...die Waffenlobby verhinderte eine Verschärfung des Gesetzes...) auf diese Weise eindämmen oder verhindern?

Bitte, wie stehen Sie persönlich zur Lobbyarbeit von Interessensgruppen aller Farben?

Vielen Dank für Ihre Zeit,

mit freundlichem Gruß
Peter Krumholz

Nachsatz: Ich erlaube mir, die gleiche Mail an alle Berliner EU Abgeordneten zu schicken und um Antwort zu bitten. K

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Sehr geehrter Herr Krumholz,

ich denke, bezüglich der Lobbyarbeit von Interessengruppen aller Couleur muss man differenzieren. Die politische Arbeit von sozialen Interessengruppen unterstütze ich grundsätzlich, weil man sich ja gegen die Übermacht großer Konzerne irgendwie wehren muss und da bin ich froh, wenn es Zuarbeit und Denkanstöße von Vertretern der lohnabhängig Beschäftigten, Arbeitslosen, Verbraucher und anderen gesellschaftlichen Gruppen gibt, welche im Kapitalismus zunehmend in die Defensive gedrängt werden. Anders sieht es mit der Lobby-Arbeit aus, welche die Kapitalseite stützt und nur ein Ziel hat, nämlich Maximalprofite zu erwirtschaften. Die Machenschaften der Think-Tanks, der weltweit agierenden Anwaltskanzleien und Netzwerke der Machteliten bedürfen des lauten, unüberhörbaren Widerspruchs linker Kräfte!

Im Grunde ist es auf EU-Ebene momentan ein ungleicher Kampf, denn die Lobbygruppen der Wirtschaftsbosse sind ein ganzes Stück besser organisiert und kapitalkräftiger als es etwa Sozialverbände oder Gewerkschaften sind. Und dennoch: Widerspruch zur herrschenden neoliberalen Politik lohnt sich! Das haben in der Vergangenheit der erfolgreiche Streik der Gewerkschaften gegen die neoliberale Hafenrichtlinie Port Package II und das Scheitern des unsozialen und militaristischen EU-Verfassungsvertrags in den Referenden in Frankreich und den Niederlanden gezeigt.

Tatsächlich ist über die Vektoren der Lobbyisten oder die Einflüsse, denen die Abgeordneten ausgesetzt sind, der Bevölkerung kaum etwas bekannt. Über die Arbeit derer, die außerhalb des Rampenlichts die Strippen ziehen, wird selten berichtet. Es soll offenbar verheimlicht werden, dass neoliberale Lobbyisten die gesetzgebende Gewalt in von der Öffentlichkeit entzogene Hinterzimmer verschieben. Es soll verschwiegen werden, dass sie Entscheidungen einkaufen, indem sie auf dubiose Art und Weise erheblichen Druck auf die EU-Parlamentarier ausüben. Es soll ebenso kaschiert werden, dass Bewertungen von Rechtsfragen etwa durch Anwaltskanzleien und Beraterfirmen letztlich regelmäßig von Interessen der Konzerne geleitet sind. Nicht selten lockt auch nach Beendigung der politischen Parlamentslaufbahn eine Karriere in der High Society der Wirtschaft. Die Kontakte zur Wirtschaftsclique werden dabei immer stärker durch spezielle Agenturen hergestellt, die Diskussionen und fürstliche Bankette für Politiker der verschiedenen EU-Institutionen veranstalten und darüber hinaus Kampagnen und "Informations"-Material erarbeiten, mit denen sie die Entscheidungen der EU-Politiker zu ihren Gunsten zu beeinflussen beabsichtigen. So wird die ohnehin schon arg gebeutelte Parlaments"demokratie" durch den massiven Einfluss der Kapitalmächtigen und deren Lobbygruppen noch weiter untergraben.

Daher finde ich, dass die Bevölkerung ein Recht darauf hat, endlich zu erfahren, welche Interessen bei welchen politischen Entscheidungen im Spiel sind. Die Menschen in Europa sollten zumindest die Möglichkeit haben, sich darüber zu informieren, welche Lobby-Gruppe gerade welches Projekt in wessen Interesse durchzusetzen versucht. Aber offensichtlich will die Mehrheit der EU-Abgeordneten gar nichts in dieser Richtung verändern - weil wohl zutage treten würde, was immer mehr Menschen vermuten, dass nämlich die momentane Politik der EU schon längst von ökonomischen Interessen großer transnationaler Konzerne dominiert wird.

Mehr Transparenz kann möglicherweise ein erster Schritt dafür sein, den Menschen in Europa die verheerende Verwicklung von ökonomischen Interessen der Kapitalseite und den politischen Entscheidungen in den Institutionen der EU aufzuzeigen. Allerdings würde dieser Schritt nicht ausreichen. Vielmehr ist es darüber hinaus notwendig, den gewaltigen Einfluss der neoliberalen Lobbygruppen spürbar zurückzudrängen und den Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozess dahin zurückzuverlagern, wo er hingehört - nämlich in die Hände der Bevölkerung.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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