Frage an Sahra Wagenknecht von Tom B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
Ich laß gerade in der Bild-Zeitung (ich weiß nicht ob die Quelle gesichert ist) das eine über 80-jährige Rentnerin, wegen Altersarmut mehrere Diebstähle von Lebensmitteln und Gesundheitsprodukten (Pflaster etc.) und jetzt in Haft kommt. Was denken sie zu diesem Fall? Und ist dies nicht ein weiterer Beweis für die Perversion unseres Sozialsystems?
Mit freundlichen Grüßen,
Herr T. B.
Sehr geehrter Herr Bendlin,
vielen Dank für Ihre Frage.
Den konkreten Fall der von Ihnen erwähnten Rentnerin, die aufgrund von Bagatelldiebstählen eine Haftstrafe antreten soll, kann ich nicht beurteilen, weil ich ihn nicht kenne. Im Allgäu in Bayern ist mir aber ein ähnlicher Fall aus der Presse bekannt. Dort klaute eine 84jährige alte Dame, die 45 Jahre als Schneiderin gearbeitet hatte, mehrfach aus Armut Lebensmittel und wurde dabei erwischt. Als sogenannte Wiederholungstäterin wurde sie schließlich zu neun Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Ich halte das für eine moralische Bankrotterklärung und es tut mir sehr weh, dass so etwas in unserer Gesellschaft möglich ist.
Die Linksfraktion fordert, Ersatzfreiheitsstrafen, die besonders häufig Menschen mit geringen Einkommen treffen, abzuschaffen und Armutsdelikten mit sozialstaatlichen Maßnahmen zu begegnen. Hierzu haben wir einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, den Sie hier finden: Drucksache 19/1689 (bundestag.de)
Unabhängig von diesen Armutsdelikten ist es ein Skandal, dass in einem so reichen Land wie Deutschland Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, im Alter in Armut leben müssen. Altersarmut ist ein drängendes Thema, das immer mehr Menschen betrifft. Mit der Teilprivatisierung der Rente und der damit verknüpften Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus wurde vor 20 Jahren von der damaligen rot-grünen Bundesregierung die Axt an einen Grundpfeiler unseres Sozialstaats gelegt. Es war ein sozialpolitisches Verbrechen mit schwerwiegenden Folgen. Wer nicht kontinuierlich und überdurchschnittlich verdient, hat keine Aussicht auf eine auskömmliche gesetzliche Rente im Alter – jeder Zweite wird ab 2030 eine Rente haben, die sich nur auf Sozialhilfeniveau oder knapp darüber bewegt.
Die Linksfraktion fordert einen grundlegenden Kurswechsel in der Rentenpolitik. Wir fordern, dass das Rentenniveau 53 Prozent beträgt und das auf 67 Jahre erhöhte Renteneintrittsalter wieder abgesenkt wird. Wir wollen, dass alle in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen, auch Beamte, Selbständige, Abgeordnete, so wie es in unserem Nachbarland Österreich der Fall ist, wo Rentner im Durchschnitt 800 Euro mehr Rente im Monat erhalten. Damit niemand im Alter in Armut leben muss, fordern wir eine einkommensgeprüfte Mindestrente von 1050 Euro. Unsere rentenpolitischen Forderungen können Sie im Antrag nachlesen, den wir in den Bundestag eingebracht haben, der aber leider von allen anderen Fraktionen abgelehnt worden ist. Drucksache 19/8555 (bundestag.de)
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Sahra Wagenknecht