Frage an Sahra Wagenknecht von Wolfgang H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
Ihre Partei persönlich kritisiert - m.E. zu Recht - die "alternativlose" Herumwurstelei in der Euro-Frage. Dabei geht es in erster Linie um das Krisenmanagement bzw. die damit verbundenen handwerklichen Fehler.
Sie persönlich sprechen sich jedoch für einen Verbleib in der €uro-Zone aus - wobei in Ihrer Argumentation nach meiner Analyse ein wesentlich Aspekt fehlt.
Nämlich: mit der Rückkehr zur DM würde zweifellos eine Aufwertung erfolgen. Aber im gleichen Maße würde der Aufwertungseffekt die Einfuhr aller Rohstoffe verbilligen.
Insbesondere die Preisreduzierung bei Heizöl und Treibstoffen würde zu einer sofortigen Freisetzung von Kaufkraft in den Geldbörsen aller Bürger führen. Diese freigesetzten Beträge würden meines Erachtens von 90 % aller Haushalte sofort in konsumtive Nachfrage umgesetzt und die Binnenkonjunktur beleben - und damit mögliche, kurzfristige Exporteinbußen aufgrund der Aufwertung kompensieren.
Ein vergleichbarer Effekt hat sich bereits in den Jahren 1984/1985 vollzogen. Als nach der Iran-Krise im Jahr 1979 und der exorbitanten Verteuerung des Rohöls sich dieser Preis wieder normalisierte, standen jedem westdeutschen Haushalt monatlich durchschnittlich 150 DM mehr an Kaufkraft zur Verfügung. Die Wirtschaft brummte und Helmut Kohl konnte sich über einen - ohne eigene Anstrengungen erzielten Konjunkturaufschwung - und eine gewonnene Wahl freuen. Oskar Lafontaine wird Ihnen diese - westdeutsche - politische Randerscheinung verifizieren.
Deshalb meine Fragen:
Warum währt sich die LINKE gegen einen €-Austritt?
Wie bewerten Sie den von mir dargelegten Kompensationseffekt einer Aufwertung im Falle einer DM-Einführung?
Welche negativen Folgen - für den Kleinen Mann/Kleinsparer/Steuerzahler - sehen Sie mit der Rückkehr zur DM?
Könnte ein finanzstarkes Deutschland mit einer nationalen Währung für notleidende europäische Staaten nicht mehr leisten als mit der bisherigen Herumwurstelei um den krampfhaften €uro-Erhalt?
Sehr geehrter Herr Hartmann,
im Falle eines Austritts aus der Euro-Zone und einer moderaten Aufwertung der heimischen Währung würden sich die Importe zwar verbilligen, ob aber davon auch die Verbraucher profitieren würden, ist angesichts der starken Marktkonzentration eher fraglich. Außerdem besteht die Gefahr, dass die wiedereingeführte DM nicht moderat, sondern völlig überzogen aufgewertet werden würde, da die heutigen Finanzmärkte viel spekulationsgetriebener sind als noch vor 20 Jahren. Eine solche extreme Aufwertung würde die Exportindustrie kaputt machen, was massiven Stellenabbau zur Folge hätte.
Um die schwierige wirtschafts- und finanzpolitische Situation in den Griff zu bekommen, sollte deshalb vielmehr bei der Bekämpfung der Krisenursachen angesetzt werden. So war es ein Kardinalfehler, dass man in Europa einen Wettlauf um niedrigste Steuern für Konzerne und Vermögende und massives Lohndumping zugelassen hat. Ein zweiter großer Fehler der Politik bestand darin, dass sie die Banken, die auf den Finanzmärkten nach Belieben gezockt haben, mit Steuergeldern gemästet hat und die Staaten dadurch immer mehr in die Verschuldungsspirale getrieben wurden. Wenn dieser politische Kurs so fortgesetzt wird, dann geht die Euro-Zone tatsächlich bald ihrem Ende entgegen.
Nötig sind jetzt vor allem ein Stopp aller Austeritätsprogramme und eine Absage an weitere Bankenrettungspakete. Reiche und Konzerne müssen endlich zur Kasse gebeten und die Löhne der Beschäftigten kräftig erhöht werden. Zockervehikel gehören verboten und Finanzmärkte streng reguliert. Das Antikrisenprogramm der Bundestagsfraktion DIE LINKE können Sie hier nachlesen: http://www.linksfraktion.de/themen/antikrisenprogramm/.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht