Frage an Sahra Wagenknecht von Roland W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
mit gelindem Entsetzen habe ich erst heute Ihre Auffassung zur Zusammenarbeit mit den Kirchen gelesen, die Sie auf dem Katholikentag in Mannheim tätigten. Sie unterliegen m.E. einem Irrtum, wenn Sie die Werte des Christentums - wie man sie aus der Botschaft eines überlieferten Jesus herausliest - mit "den Kirchen" und insbesondere der katholischen Kirche gleichsetzen.
Ein Blick in die Geschichte, aber auch in das theologische Konzept belegt - zum Großteil ja auf grauenhafteste Weise -, dass diese auch von Ihnen geschätzten und in dieser christlichen Botschaft gefundenen Werte, hat mit denen der Kirche leider wenig bis nichts zu tun hatten und auch heute noch nicht haben. Als Beispiel verweise ich nur auf das auch Ihnen wohl sattsam bekannte Problem des kirchlichen Arbeitsrechts. Auch wenn Sie eine Zusammenarbeit anbieten, wird man diese Pfründe bis zum Letzten verteidigen - wie bei allem, wenn es um Geld und Einfluss geht.
Frage:
Sehen Sie sich in der Lage, bei künftigen Statements deutlicher zwischen Christen und Kirchen zu unterscheiden bzw. unterscheiden zu wollen, gerade auch hinsichtlich der Zusammenarbeit, oder bleibt beides für Sie "eines"?
Mit solidarischen Grüßen
Roland Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
im Wesentlichen habe ich auf dem Katholikentag in Mannheim gesagt, dass ich mir eine Kirche wünsche, die Stellung gegen soziale Ungerechtigkeiten bezieht und die sich beispielsweise für einen teilweisen Schuldenerlass für Griechenland einsetzt. Für diese Positionen habe ich dort viel Unterstützung erhalten.
Ich sehe bestimmte Fragen, die ja auch innerhalb der Kirche kontrovers diskutiert werden, etwa die eingeschränkten Arbeitnehmerrechte im kirchlichen Arbeitsrecht, ganz und gar nicht unkritisch, aber ich hielte es ebenso für falsch, wenn man dort, wo es inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt, überhaupt nicht zusammenarbeiten würde. Angesichts der rüden Kürzungsdiktate, die auf die Bevölkerung in Südeuropa zukommen und angesichts des undemokratischen Fiskalpaktes, der die parlamentarische Demokratie de facto den Finanzmärkten opfert, ist es doch dringend angebracht, breite Bündnisse auf die Beine zu stellen, um diesen ganzen Kürzungswahnsinn zu stoppen.
Mit solidarischen Grüßen
Sahra Wagenknecht