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Sahra Wagenknecht
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Frage von Martin L. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Martin L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Wagenknecht.

Sie und auch die Partei stehen für eine Wirtschaftspolitik der Umverteilung von oben nach unten.
Zudem wettern sie gerne gegen die Banker, die ihrer Meinung nach an der ganzen Eurokrise Schuld seihen. Hierzu habe ich zwei Fragen.

1. Warum sind für sie die Banken und die Ratingargenturen immer die Schuldigen? Das ist doch nicht fair. Schließlich haben doch die Staaten mit all ihren Schulden (die größtenteils durch überbordene Sozialsysteme verursacht wurden) dieses Dilemma ausgelöst. Warum sollte man den privaten Ratingargenturen nicht sogar dankbar sein, schließlich haben sie durch Abstufungen auf das Problem aufmerksam gemacht?

2. Im Geschichtsunterricht (ich bin Schüler der 9. Klasse) beschäftigen wir uns gerade mit der DDR.
Auch hier wollte man eine bessere Gesellschaft durch radikale Umverteilung schaffen. Bekanntlich wurde dieser Staat zu einem katastrophalen Debakel mit vielen Toten an der Mauer. Warum streben sie trotz alledem noch immer einen sozialistischen Staat an?

Bereits im voraus besten Dank für Ihre Antworten.

Herzlichst

Martin Lorenz

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Hallo Martin Lorenz,

die Banken und Ratingagenturen haben Staaten wie Griechenland in den wirtschaftlichen Ruin gezockt, aber sie allein sind natürlich nicht an dem Finanzdesaster schuld, vielmehr muss das gesamte Wirtschaftssystem komplett neugeordnet werden. Eine Wirtschaftsordnung, welche den Privatbanken Traumrenditen beschert, gleichzeitig aber in Griechenland oder Spanien Millionen Menschen in die Armut drängt, ist zutiefst ungerecht. Die Kosten für die Krise sollten vielmehr diejenigen zahlen, die von ihr profitiert haben. DIE LINKE fordert deshalb eine einmalige Vermögensabgabe und jährliche Millionärssteuern statt Sozial- und Lohnkürzungen. Und wer die öffentlichen Haushalte ernsthaft konsolidieren will, muss eben auch die Superreichen an der Finanzierung der Krisenkosten beteiligen.

Dass die Sozialsysteme und staatlichen Ausgaben an dem desolaten Zustand der Staaten schuld seien, ist eine der Legenden, die von den Profiteuren der Krise immer wieder aufs Neue erzählt werden. So sind z.B. die Staatsausgaben in Griechenland in Relation zum Bruttoinlandsprodukt seit 2000 sogar gesunken. Erst mit Beginn der globalen Finanzkrise hat sich das geändert. Oder nehmen wir die Staatsverschuldung Spaniens, diese war bis 2008 relativ stabil. Erst im Zuge des weltweiten Finanzcrashs und mit dem Platzen der spanischen Immobilienblase explodierte dort die Staatsverschuldung. Die rüde Kürzungspolitik, die in Spanien, Griechenland und in anderen Staaten seither betrieben wird, hat die wirtschaftliche Rezession vertieft und die staatliche Schuldenquote weiter verschlechtert.

Zur zweiten Frage: Die radikale Umverteilung findet ja bereits seit vielen Jahren statt – und zwar von unten nach oben. In den vergangenen zehn Jahren sind in Deutschland die Reallöhne gesunken, wurde bei der gesetzlichen Rente und beim Sozialstaat massiv gekürzt, andererseits verteilte die Bundesregierung an die Vermögenden, Einkommensmillionäre und Konzerne beträchtliche Steuergeschenke. Im Kern geht es der LINKEN darum, dass diese Umverteilung rückgängig gemacht wird, dass also die Arbeitnehmer endlich wieder mehr Geld in der Tasche haben und dass Rentner keine Armutsrente erhalten, sondern von ihrer Rente sozial abgesichert und zufrieden leben können.

Ganz aktuell wird um den Fiskalpakt gestritten. Dieser würde die unsoziale Rezessions- und Umverteilungspolitik der letzten Jahre fortsetzen – mit verheerenden Konsequenzen. DIE LINKE hat deshalb bei der Abstimmung am vergangenen Freitag im Deutschen Bundestag als einzige Fraktion geschlossen gegen den Pakt gestimmt und klagt dagegen, ebenso wie gegen den permanenten Bankenrettungsschirm ESM, vor dem Bundesverfassungsgericht. Nähere Informationen gibt es auf der Seite der Linksfraktion unter http://www.linksfraktion.de/themen/fiskalpakt/ .

Herzliche Grüße
Sahra Wagenknecht

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