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Sahra Wagenknecht
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Frage von Horst K. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Horst K. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

bevor ich Ihnen meine Frage stelle, muss ich Ihnen erstmal meine Bewunderung aussprechen.

Ihre frühere vornehme Zurückhaltung in den Talkshows haben Sie gegen großes Durchsetzungsvermögen getauscht, will sagen, Sie sind im "wilden Westen" angekommen.

Das ist ja leider notwendig, ich wünschte, es wäre nicht so. Da Sie im Gegensatz zu den üblichen politischen "Sprechblasen", nicht nur rhetorisch, sondern vor allem inhaltlich herausragen, gehören Sie für mich zu den ganz wenigen Politiker(innen), denen ich mit Freude zuhöre.

Aber nun zu meiner Frage: Warum sind Sie gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen?
Wenn wir die Harz4-Empfänger, die möglicherweise ihre Freizeit bei McDonalds oder mit Bierdosen vor dem Fernseher verbringen, nicht als empathische, einfühlsame Menschen denken können, wenn die politischen Voraussetzungen dafür ausreichend gegeben sind, ist für mich Sozialismus, in einer halbwegs humanen Definition, nicht machbar. Im Grunde sind die Versorgungsbezüge, aber auch die Löhne, also nicht nur die Niedriglöhne, ja reine Willkür. Durch unsere korrupten Gewerkschaften, aber auch durch die Verdummungsprozesse durch die Medien, können die bildungsfernen Schichten ihren jahrelangen Lohnverzicht als gute deutsche Untertanen nicht als Betrug wahrnehmen. Das geht auch nur, wenn man Ihnen die Würde und das Selbstvertrauen zurück gibt, um halbwegs autarke Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, zumindest in unserem Wirtschaftssystem, könnte die fehlende Existenzangst durch ein bedingungsloses Grundeinkommen die wesentliche Voraussetzung dafür sein. Ich möchte Sie bitten, dass nochmal zu überdenken. Müntefering sagte: "Wer nicht arbeitet, sollte auch nicht essen". Das ein führender Sozialdemokrat solch einen Unsinn von sich gibt, ist ein großes Armutszeugnis, nicht nur für ihn, sondern auch für die Sozialdemokraten insgesamt, die nichts dazu gesagt haben. Das kann ja nicht Ihre Meinung sein. Aber wie ist sie?

Mit freundlichen Grüßen
Horst Kietzmann

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Sehr geehrter Herr Kietzmann,

vielen Dank für Ihr freundliches Schreiben und Ihre Frage.

Die Äußerung von Herrn Müntefering war eine unerträgliche Beleidigung für alle Arbeitslosen und zudem eine Missachtung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips, welches auch Arbeitslosen menschenwürdige Lebensbedingungen garantiert.

Was die Frage nach dem bedingungslosen Grundeinkommen angeht, so möchte ich Sie auf frühere Abgeordnetenwatch-Antworten verweisen, in denen ich mich bereits ausführlich zu diesem Thema geäußert habe. Die LINKE fordert kein bedingungsloses Grundeinkommen, sie setzt sich aber dafür ein, dass die staatlichen Sozialleistungen im Falle der Erwerbslosigkeit den vorher erreichten Lebensstandard annähernd gewährleisten. Hartz IV muss deshalb abgeschafft und stattdessen ein am vergangenen Einkommen orientiertes Arbeitslosengeld, mindestens aber eine bedarfsdeckende und sanktionsfreie Mindestsicherung eingeführt werden, die Armut tatsächlich verhindert.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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