Frage an Sahra Wagenknecht von Heidi L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
Ich bin zufällig auf Youtube auf einen Vortrag von Andreas Popp gestoßen. Die offensichtlich von ihm gegründete Wissensmanufaktur (www.wissensmanufaktur.net) befasst sich mit einem neuen Gesellschaftsentwurf, der auf der Beseitigung des Zinssystems beruht, ohne im Prinzip kapitalistische Strukturen zu beseitigen. Es klingt sehr interessant und auch sehr ernsthaft. Wäre so etwas durchführbar - also realistisch?
Sie haben sicher wenig Zeit aber könnten Sie sich das nicht mal ansehen. Vielleicht hilft es uns insgesamt weiter.
Ich lese sehr viele Leserkommentare auf den Webseiten der großen Tageszeitungen und mir fällt immer wieder auf
1. wie ungebildet viele Menschen sind
2. Das die herrschende Klasse es gründlich verstanden hat den Begriff "Sozialismus" und "Kommunismus" zu diskreditieren, so dass die Angst davor bei vielen (auch durch Pkt. 1) sehr groß ist. Ist es taktisch klüger eine Gesellschaftsidee zu entwickeln die andere Termini benutzt?
Ich würde mich über eine Antwort freuen.
Mit herzlichen Grüßen
Heidi Laber
Sehr geehrte Frau Laber,
vielen Dank für den Hinweis.
Grundsätzlich ist natürlich auch eine Veränderung des Zinssystems im Kapitalismus möglich. Allerdings wird man die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerungsmehrheit auf Dauer nur verbessern können, wenn auch die Wirtschafts- und Eigentumsordnung grundlegend erneuert wird. Privatkapitalistisches Eigentum in den Schlüsselbereichen der Wirtschaft und im Finanzsektor hat sich - wie nicht zuletzt der Finanzcrash bewiesen hat - als völlig untauglich erwiesen, den Wohlstand der Mehrheit anzuheben. Im Gegenteil: Viele Menschen stehen heute viel schlechter da als noch vor zehn Jahren.
Die Gesellschaftsidee, für deren Verwirklichung sich DIE LINKE einsetzt, ist der demokratische Sozialismus. Natürlich gibt es auch Menschen, die von dieser Vision noch nicht überzeugt sind. Meine Erfahrung ist es aber, dass man Menschen durch gute Argumente von seinen Zielen überzeugen kann. So stand DIE LINKE mit ihrer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn lange Zeit ziemlich alleine da. Mittlerweile befürwortet ihn eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung. Ähnlich war es mit der Forderung nach einem Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan, der heute eine große Mehrheit zustimmt. Es lohnt sich also, für seine Ziele einzustehen.
Viele Grüße
Sahra Wagenknecht