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Sahra Wagenknecht
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Frage von Maximilian B. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Maximilian B. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

Interessant finde ich, was in unserer Verfassung so alles drin steht. Artikel 14 und vor allem Artikel 15 legitimieren Mittel, die die CDU offensichtlich als angeblich verfassungsfeindlich zu bekämpfen versucht.
Ich denke, es wäre sehr öffentlichkeitswirksam, auf dieses Paradoxon hinzuweisen. Was meine Sie dazu?

Zweite Frage:
Mir ist aufgefallen, dass die Linke in ihrem Parteiprogramm kein Bekenntnis zum Grundgesetz ablegt und auch keine Zustimmung zu dessen Kernaussagen verlauten lässt. Das finde ich diskussionswürdig. Schon allein deshalb, weil ich feststellen musste, dass sich viele unserer Mitglieder gar nicht im klaren darüber sind, was das Grundgesetz eigentlich aussagt. Dass es keinesfalls ein kapitalistisches Wirtschaften verankert oder gar den gegenwärtigen Casinokapitalismus legitimiert.

Dennoch bekennt sich die Linke nicht ausdrücklich zum Grundgesetz. hat sie also etwa ein Problem mit unserer Gewaltenteilung, oder der parlamentarischen Demokratie? Die Fragen bleiben offen und verunsichern misstrauische Menschen zurecht, wie ich finde.
Ich weiß dass es unter uns auch Leute gibt, die gegen die parl. Demokratie sind. Ich finde, da sollte sich die Linke mal klar aussprechen. Wer Marxismus-Leninismus wie zu DDR-Zeiten will, wäre in der MLPD vielleicht besser aufgehoben. Stalinisten (von denen hoffentlich kaum noch welche unter uns sind) mögen bitte zur KPD gehen und radikal basisdemokratische Kommunisten in die DKP. Die Linke tritt für einen demokratischen Sozialismus auf Basis unseres Grundgesetzes ein.
Würde Sie a) diese Aussage und b) eine gleichlautende Forderung unterschreiben?

Am 22. Mai sprechen Sie ja erfreulicherweise bei uns in Berlin-Wedding. Vielleicht finden Sie aber schon vorher Gelegenheit, zu antworten?
(habe gleichlautenden Text an Sie via Abgeordnetenwatch geschickt)

Mit besten Grüßen

Maximilian Blum

Die Linke Berlin - Mitte

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Antwort von
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Lieber Maximilian Blum,

erst einmal freut es mich, dass Du Dich in der Partei DIE LINKE in Berlin engagierst und Dich mit unserem Grundsatzprogramm beschäftigst.

Das Parteiprogramm wurde auf dem Bundesparteitag in Erfurt von beinahe 97 Prozent der Delegierten und beim Mitgliederentscheid von fast 96 Prozent der Teilnehmenden befürwortet. Das Programm findet also innerhalb der Partei DIE LINKE sehr große Zustimmung. Das gilt auch für das im Grundsatzprogramm enthaltene Bekenntnis zu den Kerninhalten des Grundgesetzes und insbesondere zu den Grundrechten.

Vieles was wir fordern, geht sogar über das Grundgesetz hinaus. So fordern wir die Wiederherstellung des Asylrechts und die Erweiterung und Präzisierung des grundgesetzlichen Sozialstaatsgebots durch Aufnahme sozialer Grundrechte wie z.B. das Recht auf Arbeit, auf Wohnen, auf Bildung, auf soziokulturelle Existenzsicherung und gesundheitliche Versorgung. Wir wollen die Aufnahme des Rüstungsexportverbots und des Verbots jeglicher Nutzung der Atomenergie in das Grundgesetz durchsetzen. Und wir wollen außerdem Rechte zum Schutz von Minderheiten und ein Staatsziel Kultur in der Verfassung verankern.

DIE LINKE bekennt sich in ihrem Parteiprogramm klipp und klar zum sozialen und demokratischen Rechtsstaat, dessen Errungenschaften sie verteidigen und ausbauen will. So setzt sie sich für eine bürgerfreundlichere Umsetzung des grundgesetzlichen Justizgewährungsanspruchs und für eine konsequente Durchsetzung der Gewaltenteilung ein und streitet dafür, dass die repräsentative, parlamentarische Demokratie durch Formen direkter Demokratie - beispielsweise durch Volksabstimmungen - ergänzt wird. Wir wollen, dass es echte Volkssouveränität in Deutschland gibt - als Alternative zur Diktatur der Finanzkonzerne.

Wer also, wie es Teile der Union immer wieder tun, der LINKEN Verfassungsfeindlichkeit vorwirft, ist offenbar blind oder verblendet. Die Gefahr der Verwässerung und Aushöhlung des Grundgesetzes geht nicht von der LINKEN, sondern vielmehr jenen Parteien aus, die rüdes Lohn- und Sozialdumping anheizen und eine neoliberale Hartz-IV –und Agenda2010-Politik betreiben, denn diese Politik missachtet das verfassungsrechtliche Sozialstaatsgebot. Wer Kriege wie die gegen Jugoslawien, Afghanistan oder Libyen befürwortet, hat sich vom friedenspolitischen Leitgedanken des Grundgesetzes, nach dem Vorbereitung und Teilnahme an Angriffskriegen verboten sind, verabschiedet.

Der LINKEN geht es vor allem darum, dass das grundgesetzliche Verbot von Angriffskriegen endlich wieder zur Leitlinie und zur Praxis deutscher Außenpolitik wird. Es geht ihr weiterhin darum, dass Demokratie und soziale sowie rechtsstaatliche Errungenschaften nicht weiter zertrümmert werden. Darüber hinaus gilt es, die verfassungsrechtliche Forderung, dass Eigentum dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, endlich einzulösen. Das Parteiprogramm der LINKEN ist also nicht zuletzt ein Programm zur Verteidigung von Kerninhalten des Grundgesetzes. Sicher müssen wir noch intensiver daran arbeiten, dies öffentlichkeitswirksamer zu vermitteln, damit es mehr Menschen erfahren.

Viele Grüße

Sahra Wagenknecht

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