Frage an Sahra Wagenknecht von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
1) es wird nun oft ein Marshallplan für Griechenland gefordert, aber nicht konkret gesagt, wie dieser aussehen soll. Meiner Ansicht nach hat Wolfgang Schäuble hier den ersten vernünftigen Vorschlag gebracht: Griechenland in einen riesigen Solarpark für Europa umzuwandeln--das hätte den Vorteil, dass Griechenland mittel- und langfristig ein sichere Einnahmequelle hätte mittels derer es seine Schulden begleichen kann und Europa Strom.Warum dehnt man diese Idee nicht auch auf die sonnenreichen, mediteranen PIGS-Länder Spanien, Portugal und Italien aus? Die bisherigen Abermilliarden der EU, die in diese Länder flossen, womit Häfen, Flughäfen, Eisenbahntrassen und Straßen/Autobahnen finanziert wurden(in der Hoffnung einer neuen Infrastruktur würden neue industrielle Kerne folgen) haben ja keine neuen Indutsrien geschaffen, ja diese Länder blieben vor allem nur auf Landwirtschaft, Tourismus und Immobilienblasen fokusiert. So aber hätte man einen konkreten Nutzen. Mit den produzierten Solarstrommengen würden sich dann auch die Frage lösen, wie etwa ein atomkraftabhängiges Land wie Frankreich (80% des Stroms aus Atomkraft)seine Energielücke schliessen könnte. Es gilt nun die Energiewende zu europäisieren und Europa auch mittels der Energiewende wieder eine Vision zu geben. Unterstützt die Linke diesen Vorschlag?
2) Die World Socialist Website hat Ihnen einen Artikel gewidmet, wobei Ihnen quasi Verrat an ihrem Antikapitalismus vorgeworfen wird. Darin wird berichtet, dass Sie nun glühende Verehrerin des Ordoliberalismus von Walter Eucken und Müller-Armack wären und für Sie Kommunismus die konsequente Verwirklichung des Ordoliberalismus bedeute. Stimmt das? Wird die Linkspartei jetzt auch von Ihnen schröderisiert?
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Ostner
Sehr geehrter Herr Ostner,
der Kapitalismus versagt nicht nur sozial, sondern verhindert auch sinnvolle Investitionen, blockiert ökologische Veränderungen und schafft massenhaft Arbeitslosigkeit. Daher sind Alternativen nötig, die ich in meinem Buch "Freiheit statt Kapitalismus" darlege. Darin erwähne ich auch die Ordoliberalen, deren zentrale Forderung es unter anderem war, die Entstehung ökonomischer Macht privater Unternehmen zu verhindern. Wenn der frühere SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder diesen Vorschlag der Ordoliberalen versucht hätte umzusetzen, dann hätten wir so manches soziale oder wirtschaftliche Problem heute nicht. Das bedeutet allerdings keineswegs, bei den ordoliberalen Forderungen, die ich in meinem Buch beschreibe, stehenzubleiben. Meines Erachtens sind weiterreichende Veränderungen nötig, die ich ebenfalls darlege.
Das Buch dient außerdem der Auseinandersetzung mit dem von prominenten FDP-Politikern mittlerweile vertretenen Wirtschaftsliberalismus, der häufig nur rhetorisch an ordoliberale Ideen anknüpft, praktisch aber nicht mehr viel mit ihnen zu tun hat. Die Begrenzung von Wirtschaftsmacht etwa ist für die FDP kein Thema.
Was Ihre andere Frage angeht, so denke ich, dass die deutsche Bundesregierung den Menschen in Griechenland keine Vorschriften machen sollte, wie diese zu leben haben. Wer ein ehrliches Interesse daran hat, den Menschen dort zu helfen, sollte besser dem zügellosen Treiben der Finanzindustrie ein Ende setzen und die Souveränität des griechischen Staates respektieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht