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Sahra Wagenknecht
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Frage von Filip A. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Filip A. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

Ich selber bin selber demokratischer Sozialist und seid Jahren widme ich mich dem Studium der Werke von Karl Marx.
Nicht nur dass Marx die Rationalisierung innerhalb der Betriebe vorraussah, die Entfremdung, die allgemeine Tendenz des Kapitals sich global zu manifestieren um ein weltweites kapitalistisches Wirtschaftssystem zu etablieren, sondern auch die Entwicklung innerhalb einer modernen kapitalistischen "Zukunftsgesellschaft" in der die Verelendung enorm zunehmen wird. Es werden in unserer Gesellschaft absichtlich die Themen ausgelassen, die eigentlich den Kern einer Gesellschaft bilden: Die Basis auf der eine Gesellschaft produziert, sie ihre Waren austauscht und wie sie mit dieser Wirklichkeit auch die Produkte ihres Denkens ändert.

In diesem Sinne könnte man recht marxistisch behaupten, dass das Sein das Bewusstsein bestimme, worauf neue wissenschaftliche Studien hinweißen. Das erstaunliche ist lediglich, wie sehr dies ignoriert und heruntergespielt wird. Marx war in vielerlei Hinsicht in seinen Analysen nahezu prophetisch, wie sie gestern bei Harald Schmidt sagten, aber wie kann es möglich sein, dass in unserer Gesellschaft bis Heute marxistische Wirtschaftskonzepte so dermassen ignoriert werden, obwohl der Staatssozialismus in der DDR eigentlich kaum was mit Marx gemeinsam hatte ? Wie würden sie die Vergesellschaftung der Produktionsmittel umsetzen ?

Übrigens nimmt es ihnen kein Linker übel, dass sie einen Hummer gegessen haben (Auch wenn man Links in den Medien gleichsetzt mit einem Buschguerrilo, der sich von Urwaldpilzen ernährt). Ich verdiene auch mehr als andere und setze mich trotzdem für andere ein, kenne viele Schicksale die mich täglich berühren und sehe Elend, welches man in so einem reichen Land nicht sehen müsste, mit entsprechender ökonomischer Gerechtigkeit und Mitbestimmung.

Ich hoffe auf eine baldige Antwort
mfg Filip A.

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Sehr geehrter Herr Alilovic,

nicht nur marxistische Ideen sondern sogar Vertreter keynesianischer und linksliberaler Wirtschaftskonzepte, die mit der heute bekannten neoliberalen Wirtschaftsdoktrin völlig entgrenzter Märkte nicht einverstanden sind, wurden in der Vergangenheit in Politik und Medien weitestgehend verschwiegen. Die gegenwärtige FDP-Politik beispielsweise hat kaum noch etwas mit den Ideen liberaler Persönlichkeiten von damals - wie Walter Eucken und Alfred Müller-Armack - zu tun. Sämtliche Forderungen und Vorschläge, die auch nur irgendwie im Widerspruch zu den Geldinteressen der Finanzindustrie und Wirtschaftslobbyisten standen, wurden in den letzten Jahrzenten sehr aktiv bekämpft oder ignoriert. Daran hat sich leider bis heute nichts grundlegend geändert. Daher ist es umso wichtiger, linke Alternativen und Wirtschaftskonzepte bekannter zu machen.

Eine der Hauptvorwürfe an die LINKE ist ja immer, dass diese alles ausnahmslos verstaatlichen wolle – bis hin zur kleinen Bäckerei. Aber dies fordert die LINKE gerade nicht. Es geht nicht um die Abschaffung von privatem Produktiveigentum schlechthin, sondern vielmehr darum, dieses auf jene Bereiche zu begrenzen, in denen es keine gesellschaftliche und wirtschaftliche Macht schaffen kann. Heute ist es doch so, dass wenige riesige Konzerne de facto Preise, Umfang des Angebots, Arbeitsbedingungen und Löhne diktieren und echte Innovationen und technologischen Fortschritt immer mehr ersticken. Es geht darum, dass diese Machtstrukturen so nicht länger erhalten bleiben dürfen. Deshalb ist eine Neuordnung der Wirtschafts- und Eigentumsverhältnisse nötig, unter denen nicht länger Profitmaximierung, sondern demokratisch gesetzte Maßstäbe über Investitionen, Arbeitsplätze, Forschung und Wachstum entscheiden. In meinem neuen Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ habe ich dies genauer beschrieben und Vorschläge unterbreitet, wie man diese wirtschaftliche Neuordnung voranbringen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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