Frage an Sahra Wagenknecht von Stefhan W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Genossin,
mit Entsetzen musste ich lesen, dass 29 Prozent unserer Anhänger sich vorstellen könnten, eine ´Sarrazin-Partei´ zu wählen. Das ist bald ein Drittel und so viel wie bei keiner anderen Partei! Das errechnete kürzlich das Institut Emnid (kannst Du auf http://www.bild.de/BILD/politik/2010/09/05/sarrazin-partei/achtzehn-prozent-wuerden-sarrazin-partei-waehlen.html nachlesen).
Ich frage Dich: Was machen Nazis in unseren Reihen? Was ist falsch gelaufen? Und wie werden wir die vor allem wieder los?
Mit sozialistischem Gruß,
Dein Namensvetter Wagenknecht
Lieber Stefhan Wagenknecht,
DIE LINKE ist eine antifaschistische und antirassistische Partei. Nicht wenige Mainstream-Medien unterschlagen diese Tatsache.
Dass rechtskonservative Politiker mit Hilfe mancher Medien Stimmungen gegen Migranten entfachen, ist brandgefährlich. Die Biologisierung sozialer Fragen – etwa durch Sarrazin – soll davon ablenken, dass die neoliberale Umverteilung von unten nach oben in Wahrheit von Konzernvorständen, Banken und deren Lobbyisten aktiv betrieben wird. Auf diese Weise wird der notwendige Widerstand gegen Sozialraub geschwächt. Die Opfer sind letztlich all jene, die mit Sozialkahlschlag konfrontiert sind, darunter viele Migrantinnen und Migranten.
Dass mitunter auch Wählerinnen und Wähler der LINKEN der medialen Stimmungsmache gegen Minderheiten verfallen, ist ein Problem, das die LINKE beschäftigt, wenngleich Umfragen etablierter Institute regelmäßig kritisch zu bewerten sind – denn allzu oft haben sich beispielsweise ihre Umfrageergebnisse zu Wahlen im nachhinein als falsch herausgestellt. Dies soll aber keinesfalls die von Ihnen erwähnte Problematik herunterspielen.
Ich denke, aufzudecken, wer die tatsächlichen Profiteure antisozialer Politik und wer die Opfer sind, dass soziale Fortschritte nur gemeinsam und in Solidarität mit Migrantinnen und Migranten gegen die Interessen der oberen Zehntausend durchgesetzt werden können, zu zeigen, dass ein von Teilen der Medien inszeniertes Ausspielen von Deutschen, Migranten und Hartz-IV-Betroffenen Solidarität und Proteste gegen Neoliberalismus, Sozialabbau und Krieg schwächen, dies alles gehört zu den wichtigen Aufgaben der LINKEN. Ich hoffe sehr, dass nicht die unsäglichen Parolen eines Thilo Sarrazin, sondern humanistische Werte und solidarisches Miteinander wieder eine stärkere Rolle einnehmen werden.
Solidarische Grüße
Sahra Wagenknecht