Frage an Sahra Wagenknecht von Weber S. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
heute habe ich im Netz gelesen, dass die erste KK in Insolvenz gehen wird. Meiner Meinung nach wird es auch Zeit, denn die Begründung, wir brauchen über 200 KK für den Wettbewerb ist doch wohl grober Unsinn.
Meine Fragen zum Gesundheitswesen:
1. Warum nicht 2 oder 3 Kassen?
2. Warum erhält ein Vorstand ca. 20.000 €/Monat?
3. Warum wird keine Preisbegrenzung bei der Pharmaindustrie durchgesetzt?
4. Was soll die Ärztekammer?
5. Warum kann ein Patient beim Arzt nicht nach durchgeführter Behandlung die Leistung gegenzeichnen?
6. Warum werden die Apotheken nicht strenger kontrolliert?
Im Resultat - Warum setzt die LINKE diese Themen nicht permanent auf die Tagesordnung, im Bundestag, in den Talkshows ...
Wenn ALLE in das System einzahlen und die genannten Fakten durchgesetzt werden, dann reicht das Geld für eine modernes, umfassendes und humanes Gesundheitssystem!
Für eine Beantwortung meiner Fragen und vor allem, deren Durchsetzung wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Machen Sie weiter so!
Mit freundlichem Gruss
S. Weber
Sehr geehrter Herr Weber,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Die etablierten Parteien – ob Christdemokraten, Liberale, Grüne oder SPD -, sie alle zerstören seit vielen Jahren das Gesundheitssystem in Deutschland. Die Einführung von Zusatzbeiträgen und Praxisgebühr, Leistungskürzungen, steigende Zuzahlungen auf Medikamente, die Aufkündigung der paritätischen Finanzierung und andere Maßnahmen belasten die kleinen Leute. Die Gewinner der Gesundheitspolitik der Regierenden sind seit Jahrzehnten vor allem die privaten Versicherungskonzerne und die Arbeitgeber. Geringverdiener müssen hingegen immer tiefer in die Tasche greifen, um medizinische Leistungen noch bezahlen zu können. Konzern-Lobbyisten nehmen Einfluss auf die Gesundheitspolitik. Und die Regierung macht, was die Lobbyisten ihr diktieren.
Gesundheitspolitik darf sich aber nicht nach den Profitwünschen der Wirtschaftslobbyisten richten, sondern muss jedem Menschen eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung garantieren. Dies wird nur möglich, wenn die Privatisierung der Gesundheitskosten, die übrigens maßgeblich unter Rot-Grün gefördert wurde, und das maßlose Abkassieren der Versicherten endlich ein Ende finden.
Im Moment existieren etwas unter 170 Krankenkassen in Deutschland. Das sind viel zu viele. Die Reduzierung der Zahl der Krankenkassen ist ein richtiges Anliegen.
Sie kritisieren auch die üppigen Vorstandsgehälter bei den Kassen. Ihre Kritik ist völlig berechtigt. Auch hier besteht Einsparpotential. Diese Maßnahmen allein genügen aber nicht, die großen finanziellen Probleme der Krankenkassen zu lösen. Vielmehr müsste die Einnahmeseite der gesetzlichen Versicherung verbreitert werden. Deshalb fordert DIE LINKE die von Ihnen bereits erwähnte Einführung der solidarischen Bürgerversicherung, in die alle Erwerbstätigen nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen sollen – also auch Abgeordnete, Beamte, Selbständige und Multimillionäre. Aber auch Kapitaleinkünfte müssten hierbei berücksichtigt werden. Mit den daraus gewonnenen zusätzlichen Einnahmen könnten die unsozialen Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und Zusatzbeiträge abgeschafft werden. Darüber hinaus muss die paritätische Finanzierung der Versicherungsbeiträge wiederhergestellt werden. Allein letzteres brächte mehrere Milliarden Euro Mehreinnahmen für die Krankenkassen. Daneben würde eine Erhöhung der Beitragsbemessungs- und Versicherungspflichtgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung rund sieben Milliarden Euro in die Krankenkassen spülen. Die Bundesregierung verzichtet auf diese möglichen Mehreinnahmen und bürdet die Belastungen vor allem den Patienten und Geringverdienern auf. Das ist zutiefst ungerecht.
Ein weiteres großes Problem, das Sie ja in Ihren Fragen ebenfalls ansprechen, ist der massive Einfluss der Pharmaindustrie. Diese treibt die Medikamentenpreise in die Höhe und macht dadurch riesige Gewinne auf Kosten der Patienten. Das ist verantwortungslos. Die Politik muss deshalb im Sinne der Versicherten Einfluss auf die Preisgestaltung bei Medikamenten und Heilmitteln nehmen. Die Arzneimittelpreise dürfen sich nicht an Profitkriterien orientieren, entscheidend muss vielmehr sein, welchen Nutzen die Medikamente für die Patienten haben. Dazu ist allerdings eine von den Pharmariesen unabhängige Forschung notwendig, welche die tatsächliche Nützlichkeit neuer Medikamente ermittelt. Der Bundesgesundheitsminister Rösler geht hier aber völlig andere Wege und überlässt allein den Pharmakonzernen das Geschäft mit den Arzneimitteln. Eine unabhängige Kontrolle über den wahren Nutzen von Medikamenten bleibt somit aus. Dies ist reine Klientelpolitik zugunsten der Pharmaunternehmen – ausgetragen auf dem Rücken der Patienten, die die hohen Preise für die Medikamente zahlen müssen. Mit dieser die Profitmacherei unterstützenden Politik muss endlich Schluss sein.
Diese und weitere von Ihnen angesprochene Themen hat die LINKE immer wieder im Deutschen Bundestag auf die Tagesordnung gesetzt. Allerdings stößt DIE LINKE dort mit ihren sozial-politischen Forderungen auf einen Block neoliberaler Fraktionen, der Veränderung hin zu sozialer Gerechtigkeit bisher nicht zuließ. DIE LINKE wird trotz der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag weiterhin für eine soziale Reform des Gesundheitssystems streiten.
Aktuell unterstützt DIE LINKE die Proteste zur „Gesundheitsreform“ der schwarz-gelben Bundesregierung. Diese schafft mit der weiteren Privatisierung der Krankenversicherung, den geplanten Zusatzbeiträgen und der endgültigen Einfrierung der Arbeitgeberbeiträge bei der Finanzierung der Krankenkassenbeiträge die Voraussetzungen für die Einführung der ungerechten Kopfpauschale. Die sogenannte Gesundheitsreform von Schwarz-Gelb ist ein einziger Raubzug gegen Geringverdiener und Patienten. Das Vorhaben der Merkel-Regierung, in Zukunft sämtliche Kostensteigerungen im Gesundheitswesen der Bevölkerung aufzubürden, braucht dringend Gegenwehr. Deshalb unterstützt DIE LINKE die Herbstaktionen der Gewerkschaften gegen die Politik des sozialen Kahlschlags der Bundesregierung und ruft ihre Mitglieder und Anhänger auf, sich an den Protesten zu beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht