Frage an Sahra Wagenknecht von Detlef K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Wagenknecht,
ich empfinde es schon des längeren als besonders problematisch und gefährlich, dass offensichtlich unzufriedene Menschen unser Gesellschaft, die durch eine Nichtbeteiligung an Wahlen Ihre allmähliche Loslösung von demokratischen Spielregeln zeigen, allenfalls im Nebensatz eines Kommentators bei einer Wahlanalyse gehört werden.
Daher auch an Sie die Frage, die ich bereits Anfang 2009 an einzelne Bundestagsabgeordnete gestellt hatte: Wie bewerten Sie die Idee diese sogen. Nichtwählerschaft mit einer Art anteiligen Gewichtung zu einer abgegebenen Stimme in den Wahlausgang einzubinden - z.B. dadurch, dass im Umfange der Nichtteilnahme an Wahlen Plätze in Parlamenten nicht besetzt werden – bis etwa einem Mindestniveau zu der die Arbeitsfähigkeit noch sichergestellt ist ?
Dann würden auch diese unsäglichen Kommentare von Politikern gleichwelcher Couleur aufhören, dass Sie doch von der "Mehrheit der Stimmen" gewählt worden sein.
Und der Anteil der Nichtwählerschaft wäre auch optisch über die volle Legislaturperiode für jeden sichtbar (z.B. bei Fernsehübertragungen) und Kosten würden ebenfalls eingespart.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Kleinelsen
Sehr geehrter Herr Kleinelsen,
es mag sein, dass die Nichtbesetzung von Parlamentssitzen im Falle sinkender Wahlbeteiligung den Anteil der Nichtwähler optisch sichtbarer machen würde. Allerdings würde dies nichts Wesentliches an der Politik der Bundesregierung und der etablierten Parteien ändern. Solange gesichert ist, dass diese ihre Mehrheiten behalten, gibt es keinen Veränderungsdruck, der die politischen Akteure zu einer anderen Politik bewegen würde.
Einer der Hauptfaktoren für sinkende Wahlbeteiligungen ist ja, dass immer mehr Menschen sich nicht mehr von den etablierten Parteien vertreten fühlen und auch nicht vertreten werden. Eine Mehrheit der Bevölkerung etwa ist für den Abzug der deutschen Bundeswehrtruppen aus Afghanistan, eine Mehrheit ist für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Aber für beides gibt es keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Mit anderen Worten: Die Interessen der Bevölkerung spiegeln sich im Bundestag nicht mehr wider. Union, FDP, SPD und Grüne machen im Prinzip, was die Wirtschaftslobby ihnen vordiktiert. Deshalb setzt sich DIE LINKE für die Legalisierung politischer Streiks ein. Dies würde die Demokratie in Deutschland beleben und dabei helfen, den mittlerweile erheblichen Einfluss der Wirtschaftsmächtigen und Konzernlobbyisten zurückzudrängen.
Wirkliche Demokratie erfordert mehr Einfluss der Beschäftigten und der Politik auf Wirtschaftsabläufe. Deshalb ist eine strenge Regulierung der Finanzmärkte und der Ausbau öffentlichen Eigentums - insbesondere in Schlüsselbereichen der Wirtschaft, bei den Banken und bei der Daseinsvorsorge – dringend erforderlich. Eigentum darf nicht länger Spekulationsobjekt von Finanzhaien und Hedgefonds sein und sich vollständig der Kontrolle der Allgemeinheit entziehen, sondern muss dem Gemeinwohl dienen. Auch dieser Aspekt gehört zur Demokratiefrage.
Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht